Seit Ende letzter Woche weiß ich etwas sicher, was ich nie geglaubt hab. Die Frau, die mich letzten Sommer platt gefahren hat und wegen der ich immer noch im Krankenhaus liege, hat mich mit Absicht platt gefahren.
Sie war sich sicher, dass ich Rot hatte. Aber ich hatte Grün. Sie hat einfach auf die falsche Ampel für die Fußgänger geguckt. Mein Anwalt wollte wissen, warum sie Sekunden vor dem Aufprall gehupt, aber erst nach dem Knall gebremst hat. Das haben Zeugen gesagt.
Sie sagte erst, sie könne sich nicht erinnern. Dann hat mein Anwalt gefragt, und ich glaube, das geht mir ein Leben lang nicht mehr aus dem Kopf: „Können Sie sich nicht erinnern, dass sie gehupt haben oder warum Sie gehupt haben? Oder können Sie sich nicht erinnern, dass Sie gebremst haben? Das hat nichts mit erinnern zu tun, jeder weiß, wenn einer vors Auto läuft, bremst man. Und hupt. Man latscht da voll drauf. Man fährt eher drei Verkehrszeichen um als jemanden auf die Haube zu kriegen. Es gibt sogar Leute, die überschlagen sich wegen einer Maus. Aus Reflex. Sie nicht. Sie hupen. Und erst wenn es zu spät ist, bremsen Sie. Warum?“
Sie ist immer nur ausgewichen, aber mein Anwalt blieb hart. Wurde richtig böse. „Die Hupe ist zum Hupen und die Bremse zum Bremsen. Wissen Sie das? Warum hupen Sie dann statt zu bremsen? Kriegen Sie öfter mal was durcheinander? Können Sie überhaupt noch Auto fahren?“
Und sie sagt: „Ja ja!“ – Und er antwortet: „Aber wenn Sie nicht mal wissen, warum Sie gehupt haben. Machen Sie das automatisch? Wissen Sie nicht mehr, warum Sie hupen? Hupen Sie in einer Tour? Oder müssen Sie zur Auffrischung? Seminar? Wann hup ich und wann brems ich?“
Und irgendwann sagte die Trulla: „Ich hab halt gedacht, sie springt zur Seite.“ Und damit meinte sie mich. Und als sie gemerkt hat, dass ich nicht zur Seite spring, war es zu spät. Mein Anwalt meinte, sie hätte auch noch um mich herumlenken können. Sie weicht nicht aus, sie bremst nicht, sie hupt nur. Für ihn sieht das aus, als wenn die Trulla mich erziehen wollte, hat er gesagt. Sie hat sich wohl dabei verschätzt.
Das war es erstmal. Alles unterbrochen. Es soll noch ein Gutachten gemacht werden von dem Unfall. Und dann ist ein anderes Gericht dran, bei dem mehr Richter dabei sein werden. Das soll in einer Jugendschutzkammer weiter gehen. Hört sich ein wenig so an wie ein Bunker für Jugendliche, aber mein Anwalt sagte, das hat nichts weiter zu bedeuten, nur halt zwei Richter statt einem und noch zwei Schöffen dazu, also ehrenamtliche Laienrichter.
Aber die hier regt mich auf. Der würd ich am liebsten mal so richtig fett ins Gesicht rotzen. Hoffentlich kriegt die ne richtig fette Packung. Führerschein weg sowieso, fette Geldstrafe, so dass sie sich von irgendwas trennen muss, was ihr lieb ist, das muss richtig weh tun, und dann nochmal paar Monate in den Knast zum Nachdenken.
Und nebenan liegt einer, der wollte nicht mehr leben und hat sich vor ne S-Bahn geworfen. Dem ist nicht viel passiert. Irre ich mich oder ist das Leben manchmal verdammt ungerecht?
5 Gedanken zu „Sie hat mich absichtlich fast tot gefahren“
Beim ersten Abschnitt hat sich mir grad der Magen umgedreht.
Ich bin heute aufgrund der Empfehlung einer Freundin auf deinen Blog gestoßen und war neugierig… Zuerst gelesen hab ich deine beantworteten 80 Fragen, du bist schon ne klasse Nuss 🙂
Liebe Grüße,
Alice
Hallo Jule,
ich bin grad über eine Empfehlung in einem Forum auf deinen Blog gestoßen und weiß grad überhaupt nicht wohin mit mir – wenn man sowas liest, dass die Frau sich nichtmal entschuldigt hat und mit was für einer GLeichgültigkeit sie da rangeht, wird einem ja ganz anders :-
Viele Grüße
Taro
Krass unmögliche Vertreterin der Spezies Mensch. Doch immer wieder erschreckend, wie breit die Bandbreite der "Erscheinungsformen" ist.
Aber 🙂 weil Du wohl einen hinreichend willig-bissig-fähigen Anwalt hattest.
Ich glaube, der Frau bleibt gar keine andere Wahl, als die Verantwortung von sich zu schieben. Sie wird sich niemals entschuldigen, weil das bedeuten würde, Verantwortung für das zu übernehmen, was passiert ist. Das wäre wahrscheinlich einfach zu viel für sie. Sie kann sich vor sich selbst ja auch nicht damit herausreden, dass jeder Mensch mal Fehler macht. Es ist ja so: Der Verkehr ist hochkomplex, es sollte nicht passieren, aber faktisch kann es jedem von uns passieren, dass wir ein Stoppschild oder eine rote Ampel übersehen. Aber sie hat nix übersehen, sie hat keinen menschlichen Fehler gemacht, sondern halbwegs aus Berechnung und einer boshaften Haltung ("Der zeig ich's mal") gehandelt hat. Natürlich wollte sie Dich nicht umfahren, aber sie wollte Dir eine Lektion erteilen, die gründlich schief gegangen ist.
Wie soll sie damit leben? Das geht eigentlich gar nicht. Ohne sie verteidigen zu wollen, glaube ich, dass es für sie selbst eine existenzerhaltende Notwendigkeit ist, die Verantwortung für den Unfall auf Dich abzuschieben.
sie sollte nie mehr auto fahren dürfen