Eigene Meinung, wo bist du?

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Manchmal lohnt es sich, hartnäckig zu sein. Eine Rollstuhlfahrerin, die ich entfernt vom Sport kenne, möchte von zu Hause ausziehen und sucht ebenfalls einen WG-Platz, zusammen mit ihrem Freund. Sie sind 18 bzw. 20 Jahre alt. Außerdem hat eine 24-jährige, die zwar schon länger als ich, aber trotzdem noch relativ neu im Rollstuhl sitzt, ganz lockeres Interesse gezeigt. Sie will es sich überlegen, aber grundsätzlich möchte sie schon auf lange Sicht von zu Hause raus.

Wenn das klappen würde, hätten wir eine Vierer-WG. Drei Rollstuhlfahrerinnen und ein laufender Mann. Ob das klappen könnte? Ich weiß es nicht. Ich bin nicht skeptisch, sondern ich ich kann es mir einfach nicht vorstellen. Es ist wie ein Loch in einem Traum. Alle drei sind sehr nett. Auch vom Alter könnte es passen. Es fehlt natürlich die passende Wohnung. Andererseits, die drei haben gesagt, dass sie es sich grundsätzlich vorstellen könnten. Sie wollen ernsthaft darüber nachdenken. Die drei haben wesentlich mehr Erfahrung als ich. Meine Psychologin findet die Idee sehr gut. Ich bleibe dabei: Ich habe keine eigene Meinung dazu. Vielleicht entwickelt die sich noch.

Ich muss nur dringend etwas finden. Ich möchte lieber heute als morgen aus diesem Krankenhaus, endlich wieder die Ruhe finden, die man hier trotz allem Respekt des Personals nicht hat. Und ich muss hier raus. Bald gibt es keinen Behandlungsbedarf mehr. Zum Glück. Und bald fängt die Schule wieder an. Leider.

Bewährungsstrafe für Unglücksfahrerin

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„Die 67-jährige Autofahrerin, die im Juli 2008 ein damals 15 Jahre altes Mädchen auf dem Weg zur Schule an der Kreuzung … schwer verletzte, wurde heute zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Die Schülerin, die seit dem Unfall auf den Rollstuhl angewiesen ist, trifft den Feststellungen des Gerichts kein eigenes Verschulden. Die Unfallfahrerin hatte bis zum Schluss behauptet, das Mädchen habe die Straße bei Rot überquert. Neben einer 20-monatigen Bewährungsstrafe verhängte das Gericht ein dreijähriges Fahrverbot gegen die Rentnerin.“

So schreibt ein regionales Käseblatt, für die großen Hamburger Tageszeitungen war diese Meldung anscheinend nicht wichtig genug. Ja, es ist richtig. Die Crash-Oma, wie ich meine Unfallgegnerin inzwischen nenne, kommt mit einer Bewährungsstrafe davon. 20 Monate für ein Leben im Rollstuhl, keine weiteren Auflagen, nach drei Jahren Sperre bekommt sie ihren Führerschein wieder. Das finanzielle Chaos regelt ihre Versicherung – die Chancen stehen „gut“, dass die Unfallverursacherin bereits wieder Auto fährt, wenn ich noch meinem Schmerzensgeld hinterherrolle. Das einzige, was sie zu spüren bekommen könnte, könnte eine Höherstufung in ihren Versicherungsprozenten sein. Aber vielleicht hat sie sich auch dort abgesichert und einen Tarif gewählt, bei dem ihr Rabatt bei den ersten drei Unfällen erhalten bleibt… Okay, den Prozess muss sie zahlen, inklusive aller teuren Gutachten, meinen Anwalt, ihren Anwalt, … Und auf dem Schaden an ihrem Auto wird sie auch sitzen bleiben, meint mein Anwalt. Schwacher Trost.

Der Rechtsanwalt der Crash-Oma hat eine Geldstrafe gefordert. Er meinte, dass seine Mandantin nicht die Absicht gehabt hatte, mich umzufahren. Als sie realisiert hatte, dass ihr geplantes Abbiegemanöver zum Unfall führen würde, war sie so erschrocken, dass sie wie gelähmt war. Sie konnte nicht mehr richtig reagieren, ihr fiel in den wenigen Sekunden, die bis zum Crash bleiben, keine Alternative zu ihrem Handeln ein. Erst als es knallte, besann sie sich. Das sei ein Phänomen, das man häufiger finde, nicht ohne Grund hätten alle neuen Autos Brems-Assistenten, die eine solche Lähmung des Fahrers erkennen und automatisch eine Vollbremsung einleiten.

Mein Anwalt hat gesagt, dass das eine Schutzbehauptung sei, die zum ersten Mal im Plädoyer aufgetaucht ist, weil der Gutachter sie sonst vielleicht widerlegt hätte. Aber es war ein guter Trick, um das Gericht milde zu stimmen. Mein Rechtsanwalt hatte 3 Jahre und 6 Monate gefordert.

Entschuldigt hat sich die Trulla nicht mehr. Ich glaube, ich hätte auch gezweifelt, ob sie das ernst meint.

Eins hat das Gericht noch festgestellt: Mich traf an dem Unfall keine Schuld. Dadurch sollte es eigentlich kein Problem mehr geben, dass die Versicherungen zahlen. Eigentlich.

Bitte überlege gut, Justitia

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Heute ist der Tag, an dem mein Strafprozess zu Ende geht. Nach drei Verhandlungstagen vor dem Landgericht soll heute das Urteil gegen die Rentnerin gesprochen werden, die mich vor fast einem Jahr mit ihrem Auto plattgefahren und in den Rollstuhl gebracht hat. Ich bin immernoch im Krankenhaus und die Dame glaubt immernoch an ihre Unschuld.

Ich bin in den letzten Monaten oft gefragt worden, was ich als gerechte Strafe empfinden würde. Ich weiß es nicht. Ich möchte nicht in der Haut des Richters stecken, der zu urteilen hat. Das einzige, was ich möchte, ist, dass diese Frau einsieht, dass sie einen Fehler begangen hat, der mein Leben für immer verändert.

Ich muss los.

Sie dürfte keine Stufen haben

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Nach wie vor ist nicht geklärt, wohin ich nach meinem Klinik-Aufenthalt soll. Zu meinen Eltern kann ich nicht zurück, denn sie leben in einem Haus voller Stufen und Treppen. Das umzubauen wäre nicht nur ein enormer Aufwand, sondern auch völlig unverhältnismäßig. Wie lange ich noch zu Hause wohnen könnte, steht völlig in den Sternen. Außerdem verstehe ich mit meinen Eltern zur Zeit so gut wie gar nicht. Ich weiß nicht mal, ob das überhaupt eine Woche gut gehen würde.

Eine Alternative wäre, in eine betreute Wohngruppe für behinderte Menschen zu ziehen. Dort könnte ich ein Zimmer bekommen und würde mit mehreren anderen behinderten Menschen unter einem Dach leben. Dort müsste ich jedoch ausziehen, sobald ich so fit bin, dass ich alleine wohnen kann. Es wäre also immer nur eine Übergangslösung. Das ist nichts, was ich im Moment favorisiere. Ich möchte lieber was, woran ich mich festhalten kann. So blöde das klingt. Vermutlich werde ich danach aber nicht gefragt.

Weiterer Nachteil dieser Version ist, dass es dort nicht nur körperbehinderte Menschen gibt, sondern auch Kinder und Jugendliche, die im Verhalten auffällig oder psychisch krank sind. Ich möchte zwar, dass man mich mit meiner Behinderung akzeptiert, aber ich habe an diesem Scheiß noch so viel zu knabbern, dass ich gerne in meinem Zuhause meine Ruhe hätte. Wenn dann auf dem Flur ständig Radau ist oder ich neben meinen Problemen auch noch den Kummer der anderen lösen soll, bin ich unter Garantie schnell überfordert.

Eine Alternative wäre, in eine WG zu ziehen oder eine WG zu gründen und mich dort von einem ambulanten Sozialdienst besuchen zu lassen. Das ist nicht nur billiger, sondern aus meiner Sicht auch entspannter. Nur ist eine behindertengerechte WG in Hamburg nicht zu finden. Und eine zu gründen, dürfte mindestens genauso schwer sein.

Nur ich muss jetzt bald mal aus dem Quark kommen. Zum Schuljahr 2009/10 soll ich spätestens entlassen sein. Dass ich in der Nähe einer Schule eine Wohung finde, habe ich mir inzwischen abgeschminkt. Ich kann froh sein, wenn ich in Hamburg überhaupt eine rollstuhlgerechte Wohnung, ein rollstuhlgerechtes WG-Zimmer oder ein rollstuhlgerechtes betreutes Wohnen finde.

Und wenn ich dann was habe, müssen meine Eltern noch zustimmen…