Sandra, ja genau die Sandra, die mich in der letzten Woche so blöde angemacht hat, weil sie mit meinen 15 Punkten in Deutsch nicht klar kam, beginnt nun, mich in der Schule zu terrorisieren. Meine Bemerkung auf ihren Modegeschmack, die ich zurückgenommen und für die ich mich entschuldigt habe, scheint sie nicht verkraftet zu haben.
Heute stieg sie mit mir zusammen in den Aufzug (was sie sonst nie macht, sie benutzt sonst immer die Treppe) und sobald die Tür geschlossen war und wir alleine waren, sagte sie zu mir: „Na Krüppel, heute wieder bißchen angeben? Hast du Herrn … (Deutschlehrer) denn heute morgen schon den Schwanz gelutscht? Ist schon pervers, dass du Lehrern in die Hose gehst, aber irgendwie muss man ja zum Abi kommen, wenn man so behindert ist wie du, ne? Ich hab vollstes Verständnis, musst dich dafür nicht schämen. Kannst ja nichts dafür.“ Dann strich sie mir mit der Hand über die Schulter und klatschte mir mit der flachen Hand gegen die Wange. Es war keine richtige Ohrfeige, aber es tat schon weh.
Ich war so perplex, dass ich gar nichts erwidert habe. Kurz bevor die Tür aufging, rotzte sie mir noch auf das Hosenbein. Ich ging erstmal aufs Klo, um die Sauerei wegzuputzen. Als ich im Klassenraum ankam, lag auf meinem Platz ein ausgepacktes Kondom. Leute, was für ein Kindergarten.
Nach der großen Pause hatte jemand den Inhalt meiner Schultasche auf meinem Tisch ausgekippt. Einschließlich Katheter, Tampons, Wechselhose, Medikamente. Ich räumte den ganzen Kram wieder ein und stellte die Tasche weg, als der Unterricht begann und der Lehrer die Tafel öffnete, hatte jemand innen eine Pampers mit ihren Klebestreifen an der Tafel befestigt. Die stammte auch aus meiner Tasche. Allgemeines Gegacker, der Lehrer riss das Ding ab und warf es in den Mülleimer. „Soll das eine Anspielung auf mein Alter sein? Bislang bin ich noch nicht so senil, dass ich nicht wüsste, wann die Zeit gekommen ist, aufs Klo zu gehen.“ Er hatte nicht verstanden, was das sollte. War auch besser so.
In der nächsten Stunde lag vorne ein Briefumschlag, verschlossen, mit dem Namen des Lehrers darauf. Der Lehrer öffnete ihn und las ihn durch, packte ihn weg, ging zum Mülleimer, schaute rein und fragte, ob er mich nach der Stunde mal kurz sprechen könnte. Nach der Stunde sagte er, dass er mir nicht zu nahe treten wollte, aber ich möge doch bitte meine benutzten Inkontinenzhilfsmittel nicht so offen in den Klassenmülleimer werfen, einzelne Schüler hätten sich bereits beschwert. Ich erwiderte, dass die Windel im Mülleimer unbenutzt ist und von dem Lehrer der Stunde davor dort hinein geworfen wurde, nachdem irgendein Witzbold sie an der Tafel befestigt hatte. „Ärgert man Sie?“ fragte er. Ich bat ihn, den Brief, diese angebliche anonyme Beschwerde, an den Vertrauenslehrer weiterzuleiten, damit ich mit ihm darüber reden kann.
3 Gedanken zu „Gekränkte Eitelkeit“
*sprachlos*
Fünf Jahre nach deinem Beitrag ist jeder Kommentar fast überflüssig, weil viel zu spät. Zufolge meiner Sehbehinderung war ich bis zur vierten Schulklasse in einer Sonderschule. Kurz vor Beginn der fünften Klasse fanden meine Eltern einen Lehrer, der bereit war, mich in seinen normalen Klassverband aufzunehmen. Er bereitete meine künftigen Mitschüler auf mein Dazustossen vor und – was ich erst viel später dann auch erfuhr – sagten drei oder vier Schüler zu, mich in der Angewähnungszeit zu begleiten und zu unterstützen. Das hat auch prima geklappt schliesslich. Später dann, auf den Sekundar- und Gymnasialstufen war das dann anders. Sport war naturgemäss nicht mein Ding und das war der entscheidende Nachteil. So krass, dass jemand mir Krüppel und dergleichen an den Kopf geworfen hätte, ging es gewiss nicht zu und her, doch Streber und vieles andere musste auch ich mir anhören. Irgendwelche meiner Sachen zu verstecken, das war auch ein besonderer Spass meiner Kameraden. Und wenn es gerade der Lust entsprach, jemanden zusammenzuschlagen, dann war gewiss ich derjenige, der einzustecken hatte. Ja, so sind die Mitschüler, das kann hart sein. Heute sieht alles ganz anders aus. Klassenzusammenkünfte finden mehr und mehr und im besten Einvernehmen statt. "Hey, wie geht's deinen Augen?", "Schön, dass wenigstens alles konstant ist und sich inzwischen nichts verschlimmert hat.", "Hast inzwischen auch ganz viel erreicht, trotz deiner Behinderung, alle Achtung." Nur einer trieb es kürzlich noch fast wie früher: "Hey Blinder, hast auch Du den Weg gefunden?" Einst war er der Wortführer der Klasse, heute nimmt ihn keiner mehr für voll.
Krass, was ist diese Sandra bitte für ein asozialer, unsympathischer Mensch?
Dass du das einigermaßen locker aufnehmen konntest, finde ich beeindruckend. Ich wäre vor Angst und Scham wahrscheinlich nicht mehr zur Schule gekommen. Hut ab für dein Selbstbewusstsein, und das ist lediglich positiv gemeint.