Fragen und Antworten

Ich würde sagen, meine Rechnung ist aufgegangen. Recht intensiv habe ich mir zusammen mit Sofie überlegt, wie ich es schaffen kann, dass nicht unter jedem zweiten Posting irgendein Kommentar steht, in dem der Kommentator entweder direkt oder mit List und Tücke versucht, mir irgendetwas zu entlocken, was seinem Fetisch gut tut. Völlig aus dem Zusammenhang gerissen und sich ständig wiederholend – nur jedes Mal in irgendeiner neuen Verpackung.

Möglichkeiten, Kommentare vor deren Veröffentlichung zu moderieren, fand ich nicht so spannend, denn oft hätte es Stunden oder gar Tage dauern können, bis ich sie freischalte. Einfach, weil ich nicht immer Zeit dafür habe. So etwas macht natürlich jede gewollte Diskussion kaputt.

Die Kommentarfunktion völlig abzuschalten oder nur noch auf registrierte Teilnehmer zu beschränken, fand ich auch doof: Ich möchte ja ausdrücklich Kommentare und Meinungen auf mein Geschreibsel bekommen und lese grundsätzlich alles und denke auch oft darüber nach. Und registrieren kann sich jeder – und jeder gesperrte User immer wieder neu unter neuem Namen. Dann kann man es auch gleich sein lassen (mit der Registrierung).

Nein. Ich musste anders an die Sache herangehen. Wichtig war für mich zu wissen, welche so sonderbare(n) Fantasie(n) einen (oder mehrere) Menschen treibt (oder treiben), ständig immer wieder den Bogen zu völlig aus dem Zusammenhang gerissenen Fragen über Inkontinenz zu spannen. Und das konnte ich nur in dem Moment und geraderaus erfahren, indem ich demjenigen (oder denjenigen) damit locke, die brennendsten aller Fragen so gut es geht beantwortet zu bekommen.

Letztlich ist, wie gesagt, die Rechnung aufgegangen. Die ständigen Fragen haben aufgehört. Ich kenne das Thema. „Irgendwo reinpinkeln“ heißt es, grob zusammengefasst. Unabsichtlich, durch den Verlust von Kontrolle, oder sogar absichtlich. Nun gut, ich kann ja verstehen, dass es einem einen Kick gibt, wenn man so etwas unübliches tut. Als ich halbnackt trainiert habe, war dieses „verbotene“, unanständige dabei auch der besondere Kick. Ich würde es sogar spannend finden, wenn einer von unseren knackigen Jungs mir erzählen würde, er hätte so etwas (auch schon) gemacht. Wäre ich anonym, würde ich ihn vielleicht sogar mal fragen. Aber wenn er dann verneint, was bringt es mir, wieder und wieder nachzufragen? Das nervt doch nur!

Diese Fragen bringen hier Unruhe rein. Teilweise waren sie so provozierend gestellt, dass, bevor ich sie löschen konnte, andere Leser geantwortet haben. Diese Antworten musste ich dann, weil sonst der Sinn fehlen würde, auch gleich löschen. Was mir überhaupt keinen Spaß macht. Und ich möchte nicht wissen, wieviele Leute einige provozierende Aussagen dieser „Fishing-Kommentare“ für wahre Münze gehalten haben.

Ich habe mich nach intensiver Beratung mit Sofie entschieden, auf die Fragen einzugehen, auch auf die Gefahr hin, dass sie jemand liest und toll findet, der einen entsprechend gelagerten sexuellen Fetisch hat. Bisher verbringt derjenige Stunden damit, meine Texte zu lesen und sich immer wieder neue Fragen auszudenken, um für ihn spannende Antworten zu provozieren. Bei jeder neuen Frage gibt einen neuen Wettbewerb, ob die Frage schlau genug gestellt ist oder ob ich schlau genug bin, die Intention zu erkennen und entsprechend nicht zu antworten. Sofie ist sich sicher (und ich bin es inzwischen auch), dass alleine diese Vorstellungen, dieses Ausformulieren von Fragen und diese Hoffnung auf die entsprechenden Antworten so befriedigend sind, dass es immer und immer wieder zu diesem (für alle anderen Leser nervigen) Phänomen unter meinen Texten kommen wird, wenn es nicht irgendwann eine eindeutige Zäsur gibt. Immerhin geht das Spiel schon mindestens ein Jahr lang.

Also beantworte ich die Fragen. Nicht in Form einer aus Jugendschutzgründen verbotenen erotischen oder gar pornografischen Lektüre (es gab ja schließlich nicht nur Fetisch-Fragen), sondern nüchtern-sachlich in Form eines Aufklärungsbeitrags. Und dazu teilweise noch so durch die Blume geschrieben, dass man sich mit dem Thema Sexualität auskennen muss, um den Text überhaupt zu verstehen. Etliche Fragen jenseits dieser Fetisch-Sache hatten ja durchaus ihren Sinn und waren auch für mich interessant, um darüber nachzudenken, andere habe ich unter „albern“ zusammengefasst und nur oberflächlich bis gar nicht beantwortet, und wieder andere dann eben nüchtern-sachlich – und möglicherweise so, dass es die Erwartungen des sexuell motivierten Fragenden enttäuscht: Es ist und bleibt dabei, dass ich, auch über zwei Jahre nach dem Beginn meiner Querschnittlähmung, angepinkelte Hosen widerlich finde. Und kein bißchen angenehm. Insgesamt steht in den Antworten kein großes Geheimnis und überwiegend auch nichts, was nicht auch schonmal Thema in meinem Blog oder irgendwelchen Kommentaren war.

Damit Leute, die das jedoch nicht lesen wollen, nicht im Fließtext damit belästigt werden, gibt es die Seite nur durch einen Klick auf diesen Link.

5 Gedanken zu „Fragen und Antworten

  1. Hallo Jule…

    Ich hatte schon gar nicht mehr mit einer Antwort gerechnet (was auch nicht schlimm gewesen wäre), aber ich freue mich sehr, dass Du – trotz der Intimität der allgemein gestellten Fragen – Dich dazu durchgerungen hast die Fragen nüchtern und sachlich zu beantworten. Zumal Du auch alle meine Fragen beantwortet hast die ich gestellt habe (ich habe mehrere Fragen über Deine körperlichen Wahrnehmung eines Orgasmus gestellt).

    Mich hat das Thema – aus rein biologischen Gründen – wirklich sehr interessiert und ich habe mich im Internet dazu ein wenig eingelesen. Ich fand allerdings keine solch persönliche Darstellung der Empfindungen wie Du sie jetzt online gestellt hast. Ich danke Dir dafür und kann mir nun ein wenig besser vorstellen, wie sich in etwa ein Orgasmus für eine querschnitssgelähmte Person anfühlt.

    Ich wünsche Dir alles Gute und Euch in der WG (sowie allen Lesern) ein Frohes Weihnachtsfest.
    Und dass es bei Euch in Hamburg weniger schneit – oder Alternativ, dass alle für Rolli-Fahrer relavanten Straßen entsprechend geräumt werden. Vielleicht kannst Du Dich ja dann doch ein wenig über weiße Weihnachten freuen 🙂

    LG Katharina

  2. Ich finde es mutig und gut. Sehr sachlich beschrieben, sehr gut erklärt. Man mag zwar zweifeln, ob so viel Intimität in die Öffentlichkeit gehören darf. Ich sage: Eindeutig ja. Muss nicht, aber darf. Jule ist nicht gefragt worden, ob sie diese Behinderung haben möchte, sie hat sie bekommen und muss damit klar kommen. Was sie, finde ich, sehr toll macht. Ich war mit 18 Jahren nicht so fit. Und ich habe keine Behinderung!

    Die Öffentlichkeit wird nämlich, wenn sie sich mit Menschen mit Behinderungen öffnet, früher oder später mit genau diesen Themen in Berührung kommen. Wieso muss ich als Paketfahrer Pamperspakete an Erwachsene liefern? Wieso strullert der erwachsene Mensch neben mir plötzlich in die Hose? Warum liegt im Rucksack der Rollstuhlfahrerin, die an der Supermarktkasse vor mir steht, eine Packung mit Kathetern? Wie kommt die Schwimmerin, die im Fernsehen … huch die hat ja keine Beine … wie kommt die aus dem Becken?

    Also wie gesagt ich finde es mutig und gut. Und ob sich daran jetzt jemand aufgeilt, kannst du sowieso nicht beeinflussen. Es gibt auch Leute, die laden sich tonnenweise Facebook-Profilfotos runter und ejakulieren alle paar Stunden auf ein anderes.

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