Bescheid für Maria

Am 15.06.12 ist die vom Gericht gesetzte Frist, bis zu der das Sozialamt über Marias Antrag auf ein selbstbestimmtes Leben mit Assistenz in einer eigenen Wohnung, genauer in einem Ein-Zimmer-Apartment mit Dusche, angeschlossen an ein (unser) Wohnprojekt, endgültig zu entscheiden hatte, abgelaufen. Ein am 14.06.12 geschriebener Bescheid erreichte Maria heute.

Beantragt wurden 6.119,87 € pro Monat, davon 2.884 € als Grund- und Behandlungspflege (Pflege- und Krankenkasse), 2.631,87 € als Assistenz (Sozialamt, da mittellos) und 604 € für Lebensunterhalt einschließlich Warmmiete (ebenfalls Sozialamt).

Bewilligt wurden laut Bescheid die kompletten Assistenz- und Pflegeleistungen wie beantragt und durch Gutachten befürwortet, anerkannt wurden jedoch nur 4.970,37 € pro Monat, davon 2.884 € Grund- und Behandlungspflege und 2.086,37 € für Assistenz. Das heißt: Entweder hat das einer nicht richtig gelesen oder man will den Preis drücken. Die zuständige Sachbearbeiterin ist erstmal bis zum 25.06. in Urlaub, wie auf dem Anschreiben gleich vorsorglich vermerkt ist.

Über Leistungen zum Lebensunterhalt und Warmmiete ergehe noch ein gesonderter Bescheid. Man geht scheinbar davon aus, dass sich eine mittellose, pflegebedürftige Frau über ein halbes Jahr lang ihren Lebensunterhalt zusammenleiht. Offiziell heißt es, man ist davon ausgegangen, dass es ein Bewohnertaschengeld in Höhe von 100,98 € pro Monat durch die Einrichtung ausgezahlt gebe. Da wir aber keine Einrichtung im Sinne dieses Gesetzes sind, zahlt hier auch keiner Geld aus.

Auch da, so Frank, soll natürlich der Preis gedrückt werden, denn hinsichtlich der Leistungen zum Lebensunterhalt wäre es billiger, wenn Maria nur ein Zimmer auf einer Station hätte – statt ein Apartment, für das sie selbst verantwortlich ist (einschließlich Mietvertrag, eigene Schlüssel/Abschließbarkeit, persönliche Gestaltung, …). Wir sind ja hier kein Pflegeheim mit geregeltem Stationsbetrieb. Eben gerade nicht.

In ihrer bisherigen Einrichtung bekam Maria monatlich diese 100,98 € Bewohnertaschengeld (vor 2012 waren es 94,64 €), wovon rund 30 € gleich wieder abgezogen wurden für Umlagen innerhalb der Wohngruppe und der Rest für Medikamentenzuzahlungen, Friseur, Kosmetika und ein Eis draufging.

Ich bin mal gespannt, wie man übernächste Woche diese Differenz von 545,50 € pro Monat erklärt oder welchen Sinn die hat oder welche einzelnen Assistenzleistungen gestrichen wurden (laut Bescheid eigentlich keine). Und wann Maria wieder Leistungen zum Lebensunterhalt bekommt – zuletzt im Dezember 2011. Seit Januar hat ihr eine Freundin rund 2.250 € für Essen, Trinken und wichtigste Dinge geliehen, die hätte sie natürlich gerne mal zurück, bevor es immer mehr wird. Und das Wohnprojekt hat inzwischen knapp 1.500 € Miete und Nebenkosten gestundet, die wären dann auch mal fällig – aus Sicht unseres Vereins.

Ich hoffe ja noch, dass sich die Arie auf einem kurzen Weg klären lässt. Noch habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben.

13 Gedanken zu „Bescheid für Maria

  1. Ähm, heißt das nicht eigentlich, dass durch den nur in Teilen ergangenen Bescheid die Auflage des Gerichts verletzt wurde?

    Und zwotens: Euer Wohnprojekt wird doch sicher nicht vergessen, bei einem rückwirkenden Bewilligungsbescheid etwaige Zinsen, die für das Wohnentgelt angefallen sein könnten, anzumahnen, oder? Ich mein, Strafe muss sein, wenn die schon die vom Gericht gesetzte Frist bis zum letzten Tag ausreizen, weil sie meinen, sie könnten sparen…

    Schon komisch, dass die sich so zieren. Wo doch ihr Chef, Sozialsenator Detlef Scheele (SOZIAL-^.^-demokraten), vor Antritt seines Senatorenpostens Geschäftsführer von Behinderteneinrichtungen war und über Bedürfnisse von Eingeschränkten doch besonders gut Bescheid wissen müsste…

  2. Deutsche Bürokratie eben. Hält Fristen ein – aber Punkt genau. Und versucht so viel Geld nicht auszugeben, wie möglich. *Kopf schüttel*

  3. Nach meinem Rechtsempfinden müsste die Kasse für diese ewigen Verzögerungen Zinsen bezahlen um eben zu kompensieren, dass Maria sich so viel Geld leihen muss.
    (Was wenn sie keine Freunde hätte und einen Kredit aufnehmen müsste?)

    Aber es scheint mir so zu sein, wie man es in deinem Blog sehr oft liest: Am liebsten tritt man auf die, die sich vermeintlich nicht wehren können.

    Nuja, ich hoffe auf den Weißen Ritter Frank, der die Untoten in Paragraphien noch das Fürchten lehrt.

  4. Wissen die Leute, die solche Entscheidungen in diesem Wahnsinnstempo treffen, eigentlich, dass sie es mit MENSCHEN zu tun haben? Hier scheint man nur auf das Konto zu gucken, ohne zu erkennen, welche Konsequenzen sowas hat.

    Fast 4.000 Euro Schulden seit Jahresbeginn ist schon eine verdammt hohe "Hausnummer". Mir wäre es mehr als peinlich, meine Freunde derart anpumpen zu müssen…

  5. Ja, Behörden. "Sie müssen Schulden machen? Ja, dafür sind wir nicht verantwortlich, noch bekommen Sie ja kein Geld von uns!" Alles selbst schon erlebt. Und Zinsen fürs Schuldenmachen – tja, selbst schuld. Scheinbar gibt es wohl irgendwo Geld zinslos.

    Aber überschreite mal einen Tag die Frist beim Finanzamt für zu zahlendes Geld …

    Und es trifft immer die, die sich am wenigsten wehren können. Irgendwo ist dieses System sicherlich nicht mehr so, wie es mal angedacht war. Da könnt ihr echt froh über Frank sein.

  6. Wäre auch zu schön gewesen, wenn nach der Tortur mit der Rolliverordnung, mal keine Steine von den Ämtern und Kassen auf den Weg geworfen werden.
    Wünsche Euch da viel Erfolg, dass auch dieses Problem schnell und positiv gelöst ist.

    LG
    Dennis

  7. Hallo Jule,
    So sind unsere geliebten Ämter. "Wie? Sie wollen noch mehr Geld von uns? Dann können wir bis zur Entscheidung nichts zahlen! Sie brauchen aber jetzt Geld? Das ist aber ärgerlich. Wenn sie zustimmen bekommen sie ab jetzt das Geld, dass wir für sie übrig haben. Ansonsten sehen wir uns vor Gericht, wenn sie die zwei Jahre ohne Geld auch noch durchstehen. Dann würden sie ab den Termin das Geld bekommen, was das Gericht meint, was ihnen zusteht. Wegen Zinsen oder rückwirkende Zahlung machen wir dann einen neuen Gerichtstermin!"

  8. Oh menno, als ich die Überschrift gelesen habe, hab ich mich schon gefreut. Aber immerhin ein Teilerfolg und ich hoffe, dass die restliche Summe sich leicht klären lässt.

    Also, noch sind meine Däumchen vom drücken nicht abgestorben und solange werden sie noch weiter gedrückt!

    Liebe Grüße, Johanna

  9. Zinsen? Mein Bauchgefühl und Erfahrungsschatz im Umgang mit Banken sagt mir, dass jemand in der Position von Maria bei (nahezu?) keiner Bank Zinsen zahlen muss.
    Oder was meint ihr, wie eine Bank auf "Ja, schön guten Tag. Ich warte gerade auf einen Bescheid der Behörden zur Sicherung meines Lebensunterhaltes und unbedingt notwendiger Leistungen. Die brauchen aber noch und von daher bitte ich sie um einen Kredit von x Tausend Euro." reagiert?

  10. @Anonym 19.06.12:
    Ich bin mir unsicher, wie ich deinen Kommentar verstehen soll.
    Ja. Sie muss sicher bei kaum einer Bank Zinsen zahlen, weil die ihr einfach keinen Kredit geben.
    In solchen Notlagen ist man, wenn man nicht auf Freunde oder Familie zurückgreifen kann, auf Kreditgeber angewiesen, die nicht so genau hinsehen. Gerade solche Leute kompensieren das übrigens durch höhere Zinsforderungen für den Kredit.
    Banken sind doch keine gemeinnützigen Einrichtungen. Die wollen Geld verdienen.
    Also ja. Ohne Freunde hätte sie auch Zusatzkosten durch zu leistende Zinsen.
    Falls ich mich da irre, klärt mich gerne auf. Wäre sehr schön.

  11. Ich glaube, es gibt keine seriöse Bank, die Maria in jetziger Situation auch nur einen Cent leihen würde oder einen Dispo einrichtet. Sie würde ihren Lebensunterhalt auf Kredit bestreiten, das macht wohl keine Bank mit.

    Der Wind weht wohl aus einer ganzen anderen Richtung: Durch so eine absolute Notlage erreicht man, dass jemand gefügig wird und vielleicht auch auf Rechte verzichtet oder in die alte Einrichtung zurück geht.

  12. Über 6000€ im Monat, das ist eine Menge Geld. Da muss man als Arbeitnehmer ganz schön lange für "stricken gehen"…

    Bin gespannt wie das weiter geht, immerhin muss ja was passieren, ohne das Geld kann sie ja nicht bei euch bleiben.

  13. Auch wenn es lange her ist: Die Zinsen sind gesetzlich geregelt. 4 % p. a. ab 6 Monate nach Antragstellung.

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