Wildwasserbahn

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Da schwimmt frau in einem der modernsten Planschbecken Hamburgs ihre 20 Bahnen zu je 25 Meter auf Zeit, als plötzlich ein Typ aus dem Jedermann-Trimm-Bereich unter der Leine in unsere Vereinsbahn getaucht kommt und ruft: „Hey, Mädchen, warte mal!“

Ich lasse mich dadurch nicht beirren und drehe weiter meine Runden. Okay, ich gebe zu, einmal gecheckt zu haben, ob mein Badeanzug noch alles verdeckt, was er verdecken soll. Tut er.

Fünfzig Meter später noch eine Ansprache. „Du bist so schnell, wart‘ doch mal eben!“ – Weiterhin reagiere ich nicht. Aber die Stinkesocke ist ja nicht ganz so zickig wie sie gerade wirken mag, und schwimmt eine 21. Bahn, nur um den Typen zu fragen, was er will. Antwort: „Dir gehört doch der Rollstuhl dahinten, oder? Ich hab dich vorhin beobachtet, wie du ins Wasser geklettert bist.“

Nein, ich antworte nicht: „Dann weißt du doch, dass mir der Rollstuhl gehört“, sondern bleibe freundlich: „Ja, der gehört mir. Wieso?“

„Ich habe neulich einen Film“ – oh nein – „einen Film über Querschnittgelähmte gesehen. Da wurde gesagt, dass viele von ihnen, insbesondere Männer, Probleme beim Sex haben.“

Bin ich ein Mann? Möchte ich von wildfremden Menschen angesprochen werden, ob ich Probleme beim Sex habe? Kommen als nächste die Fragen nach dem erfüllten Sex, dem fehlenden Partner und der Selbstbefriedigung?

Nein. Alles nicht. Der Mann sagt: „Falls du Empfindungen hast da unten und mit dem Problem kämpfst, dass niemand dich will in deinem Rollstuhl und mit deiner Behinderung, habe ich einen Tipp für dich. Ein Kumpel von mir bietet Sexualassistenz für Behinderte. Ist sehr seriös und gar nicht teuer.“

Ich war so perplex, dass ich nur kopfschüttelnd mich abgewendet und im Davonschwimmen leise ein schüchternes „Nein, vielen Dank“ gemurmelt habe.

Als ich das später Tatjana erzählte, brachte sie nur ihren Standardkommentar für solche Fälle: „Auffe Fresse?!“

Und Marie: „Er steht bestimmt in der Zeit daneben und macht einen Foto von deinem Orgasmusgesicht. Damit du eine Erinnerung hast, wie bei den Fotos, die immer auf dem Jahrmarkt in der Wildwasserbahn geschossen werden.“ – „Was weißt du von meinem Orgasmusgesicht?“ – „Nichts, aber beim nächsten Volksfest gehen wir beide in die Wildwasserbahn und machen an der entscheidenden Stelle die richtige Fratze. Abgemacht?“ – „Abgemacht.“

Handbikes auf der Straße

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War das jetzt der Sommer oder nur ein kurzer Vorgeschmack? Während am Dienstag das Thermometer in meinem Auto eine Außentemperatur von bis zu 37°C anzeigte, haben wir in der letzten Nacht beim Training schon wieder die langen Klamotten angezogen. Dann fing es auch noch zwei Mal an zu regnen … nee, das war nicht wirklich angenehm.

Ich hatte das zwar schon ein paar Mal berichtet, aber weil ich dazu regelmäßig E-Mails bekomme, erwähne ich das noch einmal: Wir trainieren nachts, weil wir nicht im fließenden Straßenverkehr trainieren wollen. Das ist uns zu gefährlich. Entsprechend greifen wir auf eine gesperrte Straße zurück, die wir uns mit einigen Rennradfahrern und Triathleten teilen. Weil man natürlich nicht einfach so Straßen sperren darf, muss man das genehmigen lassen und braucht eine Ausnahme- bzw. Sondernutzungsgenehmigung von der zuständigen Behörde. Diese wird uns aber kompromissweise nur für nachts und nur für bestimmte Tage erteilt. Für das Aufstellen der Straßensperren muss extra eine zertifizierte Firma beauftragt werden, die dann da ein paar Sperrgitter hinstellt und hinterher wieder wegnimmt – das alles ist ein ziemlicher Aufwand.

Früher sind wir auch häufiger auf Strecken quer durch Hamburg gefahren. Ebenfalls nachts. Diese Strecken waren nicht gesperrt, dafür fuhr aber hinter uns ein so genanntes Sicherungsfahrzeug. Auch dafür brauchten wir stets eine Genehmigung und das Fahrzeug (und der Fahrer) mussten bestimmte Auflagen erfüllen.

Vorgestern abend startete der österreichische Handbiker Manfred Putz zu einem Weltrekordversuch in Hamburg. Hauptsächlich über Landstraßen wollte er die rund 1.000 Kilometer bis nach München fahren – in rund 50 Stunden. Lediglich vier jeweils einstündige Verpflegungs- und Klopausen waren eingeplant. Begleitet wurde die Aktion von einem Technikteam und einem Kollegen aus dem Handbikesport. Er wollte mit diesem Weltrekord auf die Leistungsfähigkeit paralympischer Sportler aufmerksam machen, so schreibt er selbst auf seiner Internetseite.

Leider ist der Kollege nicht weit gekommen. Nachdem sich offenbar mehrere Autofahrer über das Verkehrshindernis auf den Landstraßen beschwert oder um seine Gesundheit gesorgt hatten, stoppte ein Streifenwagen den Handbiker bereits nach wenigen Kilometern in Niedersachsen. Da er die erforderliche Ausnahmegenehmigung nicht eingeholt hatte und auch kein ordnungsgemäßes Sicherungsfahrzeug dabei hatte, untersagten die Beamten die Weiterfahrt auf der Fahrbahn. Es stünde ihm frei, das Radwegenetz zu benutzen, aber auf Landstraßen, auf denen andere Verkehrsteilnehmer mit 100 km/h angeschossen kommen, werde nicht Handbike gefahren, wenn daneben (nicht ohne Grund) ein benutzungspflichtiger und zumutbarer Radweg vorhanden sei. Weltrekord hin oder her. Manfred Putz brach daraufhin die Veranstaltung ab: Bei Benutzung der Radwege sei das Ziel nicht zu schaffen.

Unabhängig davon, dass ein Handbikefahrer sehr schwer zu sehen ist, da er nahezu flach auf der Straße liegt und der höchste Punkt gerade mal rund 60 Zentimeter über dem Asphalt ist, besteht beim Handbiker die Gefahr des Überrolltwerdens durch einen Pkw, da der hinterste Punkt (die Hinterachse) des Handbikes unterhalb der Radnabe eines Pkw-Rads liegt. Darüber hinaus würde als erstes sein Kopf getroffen werden und nicht etwa die Beine und er könnte nicht seitlich wegkippen, wie es ein Fahrradfahrer bei einer Kollision tun könnte. Sicherlich ist jeder in erster Linie für sich selbst verantwortlich. Das gilt auch für Menschen mit Behinderungen. Nur würde die Polizei auch Menschen ohne Behinderungen von der Fahrbahn schicken, wenn daneben ein Radweg ist.

Mehrere Tageszeitungen und Nachrichtenmagazine zitierten den 43jährigen dahin gehend, er fühle sich als behinderter Mensch zurückgestoßen. „Das ist Inklusion live“, schrieb der Sportler laut dem Nachrichtenmagazin Focus auf der Facebookseite seines Projektes. Dazu möchte ich sagen: „Lieber Manfred, schade, dass du es nicht geschafft hast. Aber du hast es versäumt, dich vorher um die nötigen Ausnahmegenehmigungen zu kümmern. Handbikes gehören nicht auf die Landstraße. Du hast Vorbildfunktion. Starte einen zweiten Anlauf, lass dein Team vorher die nötigen Papiere zusammensammeln. Jetzt die Verantwortung dafür dem Polizisten in die Schuhe zu schieben und ihm behindertenfeindliche Motive zu unterstellen, wäre nicht nur schwach, sondern auch alles andere als förderlich für die von dir gewünschte inklusive Gesellschaft. Inklusion heißt nämlich miteinander.“

Ein Bild, auf dem übrigens auch ein Radweg zu sehen ist, dazu:

(Text und Bild nachträglich ergänzt um 23.21 Uhr.)

Ostsee bei 15 Grad

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Wir waren heute mal wieder baden. Na gut, eigentlich trainieren. Aber irgendwie war es mehr „baden“ als „trainieren“. Und eine Attraktion ungeahnten Ausmaßes.

Ein gechlortes und beheiztes Schwimmbad oder ein spiegelglatter See sind zwar optimale Verhältnisse, um auf Zeit zu schwimmen, ich möchte allerdings den Wettkampf kennenlernen, wo verlässlich solche Verhältnisse herrschen. Also tut man sich einen Gefallen, wenn man eben nicht nur im spiegelglatten Wasser trainiert. Entsprechend waren wir heute an der Ostsee verabredet. Was man sich für einen Strandausflug mit Sonnenhut und Bikini eigentlich sehnlichst wünscht, wollten wir heute eben gerade nicht: Es gab nicht eine einzige Welle.

Wir waren eine recht gemischte Gruppe, insgesamt fast 15 Leute, die jüngste 14, der älteste 37, verschiedene Behinderungen, fast alle mit Rollstuhl. Da wir eine weite Strecke schwimmen wollen und die Ostsee derzeit nur 15 Grad hat, war der Neo unverzichtbar. Umso lustiger muss das ausgesehen haben, als wir vom Auto quer über die Strandpromenade in Richtung Wasser gerollt sind. Wir haben uns, um nicht so viel Sand in den Neo zu bekommen, bereits auf dem Parkplatz umgezogen und ernteten natürlich jede Menge Kommentare. Am lustigsten fand ich noch: „Oha, da kommt der schwarze Block. Gegen was protestiert ihr?“

„Gegen das kalte Wasser“, meinte einer der älteren Jungs. Es bildete sich kurzfristig eine große Menschentraube, einige holten ihre Kameras raus. Nächstes Mal nehme ich mir mein T-Shirt mit dem Aufdrauk „Bitte nicht füttern!“ mit. Da die Luft noch nicht so warm war (und das Wasser auch nicht), waren die meisten Urlauber und Touristen damit beschäftigt, auf der Strandpromenade zu flanieren, statt in den Strandkörben zu liegen. Entsprechend waren weder die Duschen auf dem Strand noch die anderen sanitären Einrichtungen offen, worauf wir allerdings spekuliert hatten.

Es war nicht so kalt wie befürchtet. Wir waren etwa 45 Minuten unterwegs, als plötzlich ein Schlauchboot auf uns zuhielt. Die DLRG wollte von uns wissen, ob wir im Schwimmerbereich bleiben oder ob wir Richtung Dänemark abtreiben. Was das sollte, war irgendwie nicht klar, denn wir hielten uns, wenn auch am Rand, aber innerhalb des durch Bojen gekennzeichneten Bereichs auf. Als sich der Schlauchbootfahrer und seine Kollegin davon überzeugt hatten, dass es uns gut ging, brachten sie ihr Boot wieder zurück an den Strand.

Im Anschluss an unsere Trainingseinheit haben wir zusammen gegrillt – natürlich an einer extra dafür vorgesehenen Feuerstelle. Es mag komisch klingen, dass jemand, der sich im Sand ohne Rolli kaum und mit Rolli gar nicht bewegen kann, schon riesig auf eine geplante Sommerfreizeit am Strand freut. Aber es ist so. Im warmen Sand rumkrabbeln, sich von der Sonne streicheln, wärmen und bräunen lassen, im Meer baden, die Seeluft genießen – ja, ich glaube, der Sommer ist eine meiner vier Lieblingsjahreszeiten.

Scheibenwischer für Stinkesocke

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Juhu! Ich habe einen Scheibenwischer geschenkt bekommen. Und dazu fast noch eine Beule.

Genau. Straßenverkehr. Nicht, dass ich mich darüber aufregen könnte. Mir geht es um ganz etwas anderes: Am kommenden Sonntag radeln in Hamburg wieder etliche Leute im Rahmen einer Sternfahrt protestierend für mehr Rechte der Drahteselnutzer. Bei uns in der Uni hat sich ein ganzer Haufen von Leuten gebildet, die einen auf den Zündschlüssel am Schlüsselbund ansprechen und sich klar, fast schon aggressiv gegen Autofahrer und mehr Rechte für Radler aussprechen.

Anstrengend. Ich habe nichts gegen Radfahrer. Mir fällt aber auf, dass viele Radfahrer mit ihren bestehenden Rechten gar nicht umgehen wollen oder können. So sind im Zuge der Neugestaltung der Schäferkampsallee beispielsweise die Radfahrer in meinen Augen recht vorbildlich bedacht worden, wie in dem Videoclip (ja, es darf wieder mit mir Auto gefahren werden) zu sehen. Der Clip dauert 60 Sekunden. In diesen 60 Sekunden habe ich es mit fünf Radfahrern zu tun und alle fünf machen irgendeinen Mist, einer begeht sogar eine Straftat.

Die Frau zwischen 5 und 8 Sekunden, die später eine ganze Zeit vor dem Auto radelt, kommt über den Gehweg angefahren. Das ist etwas schlecht zu sehen.

Bei 16 Sekunden kommt in der Einbahnstraße (Radweg nur für eine Richtung) jemand auf dem Fahrrad in falscher Richtung entgegen.

Bei 32 Sekunden kommt die nächste Frau in falscher Richtung entgegen, will auf die Fahrbahn ausweichen, aber die vor mir fahrende Radlerin möchte lieber nach links ausweichen, statt rechts zu fahren, und fährt einmal diagonal über die gesamte Fahrbahnbreite.

Das möchte ich aber nur nebenbei erwähnen, denn das Schönste kommt eigentlich noch: Der Audi-Fahrer, dessen Bremslichter ab 0:50 am linken Bildrand leuchten, legt den Rückwärtsgang ein und überlegt sich in dem Moment, als ich mit etwa 10 km/h hinter ihm vorbei rolle, zurück zu stoßen. Da ich davon ausgehen muss, dass er mich nicht gesehen hat, muss ich kurz hupen. Daraufhin überholt mich ein weiterer Radler rechts, schert wegen eines (unberechtigt) parkenden Fahrzeuges auf die Fahrbahn aus, berührt dabei noch fast das parkende Auto, schneidet mich und beleidigt mich mit einer Scheibenwischergeste.

Ich vermute, er hat das Hupen auf die vor mir fahrende Radfahrerin bezogen. Das ist aber trotzdem kein Grund für so ein Manöver.

Kurz danach kommt übrigens von oben der nächste verkehrt herum durch die Einbahnstraße. Ich will mich über diesen Scheiben wischenden Radfahrer nicht aufregen, es kratzt mich auch nicht sonderlich. Nur: Ich bin vorher durch den Stadtteil „Sternschanze“ gefahren und musste in den fünf Minuten rund 20 Mal wegen irgendwelcher Falschradler anhalten, ausweichen oder auf Vorfahrt verzichten. Ich finde daher: Wenn man so derart laut (wie zur Zeit) mehr Rechte und mehr Rücksicht fordert, sollte man sich selbst auch an bestehendes Recht halten. Oder?!