En Klacks för son Hamborger Deern

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Marie hatte eine Einladung zur Gartenparty einer Freundin, einer ehemaligen Mitschülerin bekommen. Anlass waren die Geburtstage der Freundin und ihrem Verlobten, die in den letzten vier Wochen waren und nun gefeiert werden sollten. Eigentlich sollte Training stattfinden, da aber zu viele Leute krank sind, wurde das abgesagt. Marie fragte mich, ob ich spontan dorthin mitfahren möchte, dann wäre sie nicht so alleine. Sie kenne den Verlobten nicht und die Freundin hätte sie auch schon länger nicht mehr gesehen, und sie habe mit Begleitung eingeladen. Ich sagte: „Dann frag aber lieber nochmal, ob es auch okay ist, wenn du eine Freundin mitbringst. Nicht dass sich die Einladung nur auf deinen Verlobten bezogen hat.“

Nein, es war kein Problem. Zumindest zunächst nicht. Als die Freundin aber erfuhr, dass ich nur eine Freundin sei, allenfalls eine gute Freundin, aber nicht die Freundin im Sinne einer Partnerschaft, musste sie uns dann doch nochmal mitteilen, dass das so eigentlich nicht gemeint war. Hinzu kam dann noch der Kommentar eines anderen weiblichen Partygastes, der für uns deutlich hörbar sagte, dass sie es gut fände, dass auch Marie eingeladen wurde und so dabei sein könnte. Zwei der herumstehenden Leute fassten sich erstmal unbeholfen an die Nase, ein dritter kratzte sich am Ohr. Ich flüsterte Marie ins Ohr: „Deine Freundin ist sooo ein guter Mensch.“

Getränke sollte jeder selbst mitbringen, anstelle eines Geschenks. Der kleine Bruder der Gastgeberin hatte das koordiniert. Wir waren mit einer Kiste Bier und einigen Fruchtsäften dran. Lässt sich im Rollstuhl natürlich auch viel besser transportieren als eine Flasche Hochprozentiges… Wir konnten Maries Vater überreden, uns kurz rumzufahren. Naja, ein paar Blumen und was Süßes haben wir dann noch dazu gepackt, immerhin waren wir zu zweit – hätten wir aber nicht getan, wenn wir gewusst hätten, dass wir an dem Abend hungern müssten. Es gab für 24 Gäste plus die Gastgeberfamilie insgesamt zehn Fladenbrote, 30 Bratwürste und zwei Flaschen Ketchup. Keine Soße, kein Dip, kein Salat, …

Als sich die ersten relativ früh wieder verabschiedeten, sagte der Vater, der am Grill gestanden hatte: „Was, so früh schon, wir wollten jetzt das Fleisch rausholen!“ – Das sollte aber ein Witz sein. Auf dem Weg zur S-Bahn meinte Marie: „Das war das letzte Mal. Das hatte ich mir beim letzten Mal schon geschworen, aber irgendwie musste ich ihr noch eine Chance geben. Wir haben uns früher mal so gut verstanden. Aber uns verbindet nichts mehr.“

Ein Pärchen, das auch auf der Feier war, stand oben am Bahnsteig und wartete auf die S-Bahn. Die beiden grinsten uns mit einem Döner in der Hand an und sagten mampfend: „Sorry, aber wir hatten Hunger.“

Sie nahmen eine andere S-Bahn als wir. Als wir im Wagen saßen und der Zug angefahren war, deutete Marie mit einem Kopfnicken zu einer Frau rüber, die sich in einer Ecke verkrochen hatte und bitterlich weinte. Eine Mütze tief ins Gesicht gezogen, den Kragen der Jacke hochgekrempelt. Geschätzt Anfang 30. Extrem gut aussehend. Würde sie nicht heulen, würde ich denken, sie sei auf dem Weg zu einer Party. So war sie jedenfalls gekleidet. An der Station Langenfelde stieg ein Kontrollteam ein. „Die Fahrausweise bitte!“

Die Frau hatte keinen. So wild, wie sie ihre Taschen abtastete, eine immer ernstere Miene bekam und schließlich eher verzweifelt die Hände vor das Gesicht nahm, war das offensichtlich. Nur war das Team noch nicht bei uns angekommen. Ich rollte zu ihr hin. „Was ist los mit Ihnen? Brauchen Sie Hilfe?“

„Meine Monatskarte, mein Hausschlüssel, mein Ausweis, das liegt alles im Auto von meinem Freund. Wir wollten feiern gehen aber wir haben uns gestritten, ich bin einfach ausgestiegen und jetzt bin ich auf dem Weg nach Hause. Heute ist einfach nicht mein Tag. Heute geht alles schief. Ich glaube, ich besauf mich gleich noch und dann geh ich ins Bett.“

Die Fahrkartenkontrolleure kamen auf uns zu. Einer starrte mich an. Ich fragte: „Wollen Sie meinen Ausweis sehen?“ – Er schloss die Augen, formte seine Lippen zu einer Art Kussmund und schüttelte langsam mit dem Kopf. Einige Sekunden später hielt die Bahn und das Kontrollteam stieg aus. Die Frau guckte mich mit großen Augen an: „Was war das denn jetzt? Kanntest du den?“

Ich schüttelte den Kopf. „Nee. Rollstuhlfahrer werden meistens nicht kontrolliert, weil die meisten von ihnen kostenlos befördert werden.“ – „Was?! Das wusste ich auch noch nicht. Cool.“ – „Und eine Begleitperson dazu auch. Er hat wohl gedacht, du wärest meine Begleitperson.“

Plötzlich fiel mir diese Frau um den Hals und drückte mich. „Danke, danke, danke.“ – „Hey, keine Ursache. Aber es wären auch nur 5 Euro gewesen. Einmal die Monatskarte nachreichen in den nächsten Tagen. Kann doch jedem mal passieren.“ – „Da steckt für mich ein bißchen mehr dahinter. Aber das kann ich dir nicht erklären. Jedenfalls danke, dass du das für mich gemacht hast. War echt anständig von dir.“

Marie sagte: „Wir haben uns unseren Abend eigentlich auch anders vorgestellt. Wir kommen gerade von einer Party einer ehemals guten Schulfreundin und bis auf eine Grillwurst pro Person gab es nichts zu essen und nur dumme Sprüche und geschmacklose Witze. Über Homosexuelle, Behinderte, Farbige, Juden, … war alles dabei. Ich hab die dumme Kuh mal so gemocht, aber im Moment ist mir auch gerade zum Heulen zumute.“

Ich sagte: „Ich hab eine Idee. Wollen wir nicht spontan zu dritt erst mal kurz was essen gehen und dann gehen wir ne Runde tanzen auf dem Kiez?“

Die Frau sagte: „Nett gemeint, aber ich weiß nicht. Ich habe nicht mal mein Portmonee dabei.“ – „Egal, ich lad dich ein. Na komm, immernoch besser als sich zu besaufen oder wegen eines blöden Freundes sich den Abend verderben zu lassen, oder?“, konterte Marie.

Zwanzig Minuten später fanden wir uns in einem etwas teureren Burgerladen in der Nähe des Hauptbahnhofes wieder. Als die Frau ihre Mütze abnahm und ihre Jacke auszog, kurz auf Klo ging, um sich ein wenig das verheulte Gesicht zu rekonstruieren, sagte Marie: „Das könnte doch noch ein toller Abend werden.“

In einer ruhigen Ecke futterte sie einen Salat. Sie seufzte und sagte: „Das ist ein Tag heute. Erst benimmt sich mein Freund wie ein Arsch, dann werde ich fast noch verhaftet und jetzt gehe ich mit zwei Rollifahrerinnen tanzen.“ – „Na wenn das keine Steigerung ist.“

Wieder draußen, wir überquerten die Straße, blieb ich natürlich mal wieder mit einem Vorderrad an einer Gehwegplatte hängen. Es ist aber auch so ätzend: Auf neu gepflasterten Wegen werden die Gehwegplatten oft einen Zentimeter höher verlegt als der Bordstein, vermutlich, weil sie sich noch etwas setzen. Und als Rollifahrer bleibt man dann, nachdem man beim Bordstein schon aufgepasst hat, an eben dieser Kante hängen. Zack, lag ich auf der Fresse. Als Marie sah, dass ich mich nicht verletzt hatte, fing sie zu gackern an. Unsere Begleiterin nahm die Hände vor ihr Gesicht und sagte: „Um Himmels Willen!“

Ein Mann stürmte herbei, trat mir fast auf die Hand, latschte aufgeregt auf und ab und holte sein Handy aus der Tasche. „Sind Sie verletzt, soll ich einen Arzt rufen?“ – Marie stellte sich neben ihn, tickte ihn von der Seite an und fing an zu singen: „As se opsteiht, seggt se: ‚Hett nich weeh doon, das n Klacks för son Hamborger Deern.'“ – Und während ich mich bemühte, von der Erde wieder in den Stuhl zu gelangen, tanzten sich unsere Begleiterin und Marie Rücken an Rücken an und sangen zusammen: „Klaun, klaun, Äppel wüllt wi klaun, ruck zuck övern Zaun. Ein jeder aber kann das nicht, denn er muss aus Hamburg sein.“

Und anschließend den Refrain sogar nochmal zweistimmig. Das klang richtig toll. Einige Leute blieben stehen und waren mit der Situation völlig überfordert. Musste das so sein, dass eine Behinderte im Dreck liegt und zwei andere Leute laut singend daneben stehen? In der S-Bahn in Richtung St. Pauli fragte ich sie: „Singst du eigentlich regelmäßig? Im Chor oder so? Du hast eine total tolle Stimme.“

„Ich verdiene mein Geld damit.“ – „Mit Singen?“ – „Ja. Finde ich aber gut, dass du das nicht wusstest. Ich trenne gerne privates von beruflichem und im Moment bin ich privat unterwegs und das soll auch so bleiben.“ – „Ich gehe eher selten ins Theater oder in Oper oder so, ich hoffe, du nimmst mir das jetzt nicht krumm“, versuchte ich mich zu entschuldigen. Und wie ich später merken sollte, habe ich mich damit eher noch tiefer in den Schlick hineinmanövriert. – „Nein, nein, es ist absolut okay so wie es ist“, antwortete sie und grinste.

Die Frau war eher klein, hatte aber einen auffällig gut trainierten Oberkörper. Nicht die Oberarme, auch keine große Oberweite, aber Brustkorb und Schulterbereich erinnerten ein wenig an eine Leistungsschwimmerin. Okay, jetzt verstand ich auch, warum sie solche Angst vor der Fahrkartenkontrolle hatte. Wenn ich sie hätte kennen können, wäre eine Zeitungsmeldung über eine Schwarzfahrt einer Opern- oder Musicalsängerin oder ähnliches vermutlich zumindest in der Boulevardpresse ein paar Zeilen wert – oder sie befürchtete das zumindest.

Es war ein total toller Abend. Wir waren in einer Bar am Hamburger Berg tanzen, sind dann in einer großen Disko auf der Großen Freiheit gewesen, anschließend noch in einer Karaoke-Bar am Hans-Albers-Platz, wo allerdings niemand von uns gesungen hat. Auch mit den Klos hat alles vernünftig geklappt (vorbereitet war ich auf den Abend ja eher nicht). Als wir uns dann am Nachtbus voneinander verabschiedet hatten, konnte ich mir nicht verkneifen, ihren Namen in die Suchmaschine einzugeben. Keine Opernsängerin. Auch niemand aus einem Musical, was in Hamburg ja auch durchaus hätte sein können. Sondern jemand, der mal ein Studioalbum herausgebracht und tatsächlich mehr als 100.000 Mal verkauft hat.

Die tatsächliche Chance, ein Album von ihr in meinem Regal oder auf meinen PC zu haben, ist allerdings sehr gering, da ihr Musikstil überhaupt nicht meiner ist. Sie hat sich meine Handynummer aufgeschrieben. Ihre hatte sie nicht dabei … egal. Es war ein schöner Abend und Marie und ich sind uns einig, einen sehr netten Menschen kennen gelernt zu haben. Wenngleich wir ihn vermutlich nie mehr wiedersehen werden. Aber, wie gesagt, es war ein schöner Abend und der Rest ist okay so.

Ein hartes Stück Brot

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Heute bekam Maria (nein, nicht die ermordete aus dem Kriminalfilm, sondern die echte) Besuch von einer Freundin, die sie über das Internet kennengelernt hatte. Und zwar in einer Gruppe bei Fratzenbuch, der sich einige Leute mit ihrer Erkrankung zum Erfahrungsaustausch angeschlossen haben. Maria bat mich, sie zu diesem Treffen zu begleiten, da sie sich nicht sicher war, ob die Person wirklich diejenige ist, für die sie sich ausgab. Man muss ja immer vorsichtig sein, und lieber zu vorsichtig als sich plötzlich mit bösen Überraschungen konfrontiert sehen. Aber alleine die Tatsache, dass diese Frau Maria zu sich in die Hotellobby „bestellt“, ließ es schon unwahrscheinlich erscheinen, dass da etwas ganz komisches passieren würde.

Diese Frau kam aus einem tiefbayerischen Dorf, dort wohnt sie in einem Pflegeheim, und sie hat ihr Taschengeld gespart, um den „König der Löwen“ live sehen zu können. Der Flug und die Eintrittskarte waren eher die günstigen Komponenten der Reise; ebenso das Hotel: Es war eins der billigsten, die man in Hamburg bekommen kann. Alleine 450 Euro hat es sie gekostet, dass sie eine Assistenzkraft von Donnerstagmorgen bis Samstagnachmittag nach Hamburg begleitet und sich rund um die Uhr persönlich um sie kümmert.

Da Marie und ich noch einiges in der Stadt besorgen wollten, hatten wir vereinbart, dass wir Maria beide zu dem Hotel begleiten, einmal mit schauen, ob alles in Ordnung ist und uns dann von ihr verabschieden. Mit der Freundin war auch alles in Ordnung – nur mit dieser Assistentin nicht. Ich bin echt froh, wie „verwöhnt“ wir hier mit unserem Assistenzmodell und vor allem den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind. Wenngleich ich persönlich das fast nie nutze. Diese Freundin von Maria bekommt sonst die übliche Pflege aus dem Alltag eines Pflegeheims. Die Assistentin hatte sie über eine Vermittlung für Reiseassistenz gebucht. Und diese Assistenin veranlasste Marie und mich tatsächlich, doch erstmal vor Ort zu bleiben.

Was für ein Drache! Marias Freundin meinte, sie sei etwas „grantig“ zu ihr. Und im ersten Moment wusste ich nicht, ob Marias Freundin vielleicht sehr sensibel und penibel sein könnte. Aber dann: Marias Freundin fragte die Assistentin, ob sie ihr bitte ein Geschenk, das sie Maria geben wollte und das vor ihr eingepackt auf dem Tisch lag, hochreichen könnte. Eine Kleinigkeit, ein Mitbringsel aus Bayern. Marias Freundin konnte es wegen ihrer Behinderung nicht greifen. Die Assistentin fragte, ob sie es nicht gleich Maria geben solle. „Nein, ich möchte es ihr geben.“

Es ist nur eine Kleinigkeit, aber diese Assistentin hat es nicht begriffen. Ich glaube, ich muss das nicht erklären.

Maria hatte ihrer Freundin ein Buch mitgebracht: Hamburgisch für Anfänger. Darin ist erklärt, dass man in Hamburg zum Beispiel „Feudel“ sagt und nicht „Wischtuch“. Eingepackt in Geschenkpapier. Marias Freundin bat ihre Assistentin, das Papier für sie zu öffnen. Was macht die Assistentin? Reißt das Geschenkpapier auf, packt das Buch aus und fängt an, darin zu lesen. Und das zu kommentieren: „Ah, das ist ja spannend. Ach schau mal, das wusste ich auch noch nicht.“ – Und Marias Freundin, die sie bezahlt, steht daneben. Ein Unding! Maria, inzwischen nicht mehr so schüchtern wie früher, sagte: „Ähm, eigentlich hatte ich meiner Freundin das Buch geschenkt. Würden Sie ihr das bitte geben?“

Maria und ihre Freundin wollten in die Hafencity, sich den neuen Stadtteil anschauen, eventuell den alten Elbtunnel besuchen und vielleicht eine Hafenrundfahrt machen. Nachdem die Assistentin dann aber noch einen Kommentar wegen fehlender Wanderschuhe abgelassen hatte, haben Marie und ich spontan angeboten, dass wir das zu viert machen, der Assistentin frei geben und abends, bevor wir Marias Freundin wieder zurück ins Hotel bringen, noch kurz shoppen fahren, damit Marie und ich dann kurz unsere Besorgungen machen. „Shoppen ist sowieso cool“, meinte Marias Freundin.

Es war total toll. Marias Freundin wusste gar nicht, wohin sie zuerst und wohin zuletzt gucken sollte. Ihre Wangen glühten vor Aufregung. „Ich bin in meinem Leben noch nie alleine mit der U-Bahn gefahren! Bei mir im Kaff fährt nicht mal ein Bus!“

Irgendwann war der Punkt gekommen, an dem Marias Freundin gerne ihre Geldbörse haben wollte. Sie bat mich, sie ihr aus dem Rucksack herauszuholen, der an der Rückenlehne ihres Elektrorollstuhls befestigt war. Nun wühle ich ja nicht so gerne in fremden Rucksäcken. Zum Glück habe ich mir angewöhnt, erstmal einen Blick hinein zu werfen, bevor ich in ein scharfes Messer oder eine offene Spritze fasse. Eine halb verschlossene Tüte mit einer nassen Unterhose würde mir auch schon reichen. Wenn man im Krankenhaus Praktikum macht, lernt man was für das Leben. Eine Lektion: Fasse nie blindlings in fremde Beutel, Rucksäcke, Handtaschen, Reisetaschen, Koffer. Auch dann nicht, wenn der noch so seriöse Eigentümer oder die noch so adrette Eigentümerin noch so hilflos aussieht und dich darum bittet.

So war es auch hier: Die Assistentin sollte Marias Freundin offenbar einige Brote belegen und ihr einpacken, damit sie was dabei hat, wenn sie unterwegs Hunger bekäme. So dachte ich zuerst. Denn die lagen im Rucksack. Allerdings unverpackt zwischen Geldbörse, Stadtplan, Reiseführer und einem Umschlag mit Theaterkarten. Ich wusste erst nicht, ob ich sie darauf ansprechen sollte, entschied mich aber dann, doch mal zu fragen: „Sag mal, willst du dein Schinkenbrot nicht lieber in eine Tüte packen, bevor sich die Butter im ganzen Stadtplan verteilt? Marie hat eigentlich immer so kleine Mülltüten dabei, vielleicht gibt sie dir eine.“ – „Liegt da ein Brot im Rucksack?!“ – „Mehrere. Schinken, Käse und ich würde mal sagen irgendwas mit Lachs.“ – „Pfuiteufel! Kannst du das bitte sofort rausnehmen? Alles? Das gehört mir nicht!“ – Ich ließ mir von Marie Einmalhandschuhe und einen kleinen Müllbeutel geben, nahm den Rucksack von der Rückenlehne und fing vor ihren Augen mit dem Umräumen an: „Oh, hier ist auch noch Schnittlauch lose, der gehört bestimmt auch dazu!“

Wie sich herausstellte, gehörten die drei Brote der Assistentin. Sie hatte sie beim Flug abgestaubt und einfach so in dem Rucksack verschwinden lassen. Lediglich eine durchgeweichte Serviette lag halb dazwischen… Der einzige Kommentar von Marias Freundin: „Wie widerlich! Und dafür bezahl ich Geld?“

Als wir Marias Freundin nach einem total schönen Nachmittag wieder am Hotel ablieferten, war der erste Kommentar der Assistentin: „Na? Alles noch dran? Rollstuhl noch heil, Füße noch warm und Hose noch trocken?“ – Marias Freundin lächelte nur müde. Die Assistentin fuhr fort: „Hast bestimmt nichts getrunken den ganzen Nachmittag.“

„Doch, Jule hat mir einen Tee so festgehalten, dass ich ihn mit dem Trinkhalm trinken konnte.“ – „Na dann hast du ja Glück gehabt.“

Marie sagte später auf der Rückfahrt: „Ich hätte ihr als allererstes das Duzen abgewöhnt.“ – „Meinst du, das hätte was gebracht?“, fragte ich sie. – „Zumindest mehr Distanz.“ – „Kann sie nicht zwei Nächte bei uns schlafen?“, überlegte ich laut. Maria guckte skeptisch. Marie antwortete: „Jule, du kannst nicht die ganze Welt retten. Lern es endlich.“ – Ein hartes Stück Brot.

Mordfall Maria

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Maria ist jung, hübsch, keck, modern, selbstbestimmt, temperamentvoll und kämpferisch. Sie wohnt in einer WG und führt trotz ihrer Behinderung ein aktives und erfülltes Leben. Sie spielt Rollstuhlbasketball und studiert Medizin. Sie ist bei ihren Freundinnen und Freunden beliebt, wohnt in Hamburg und wird plötzlich ermordet. Warum und von wem, das wissen bisher nur ganz wenige, und die, die es wissen, werden das natürlich vor Januar 2014 nicht verraten. Denn im Januar 2014 ermittelt Kriminalhauptkommissar Wilfried Stubbe mitten unter uns Rollstuhlfahrern und damit in einem ihm bisher unbekannten Milieu. Es wird Stubbes letzter Fall (Arbeitstitel: „Mordfall Maria“).

Für Maria, die ermordete Rollstuhlfahrerin, setzt sich Jana Reinermann in den Rollstuhl. Genau, jene hübsche Berlinerin, die im letzten Jahr die sexy Nanny aus „Kokowääh 2“ so herrlich naiv und ungeniert gespielt hat. Weitere Rollen dieser letzten Folge sind mit Uwe Bohm und Jule Böwe besetzt. Ich kann es gar nicht erwarten, die 50. Stubbe-Folge im Fernsehen (ZDF) zu sehen. Ich selbst spiele in dem Film aber nicht mit.

Drehbuchautor dieser Folge, der gleichzeitig auch Regie führt, ist Peter Kahane. Er hatte, wie er mir sagte, schon lange die Idee, einen Kriminalfilm in der Rollstuhlszene zu drehen. Da eine bloße Idee bekanntlich nicht reicht, um so einen Film zu produzieren und ins Fernsehen zu bringen, sondern eben auch viele andere Leute überzeugt sein wollen, hat es lange gedauert, bis aus dieser Idee ein konkretes Projekt wurde. Ich kann mir vorstellen, dass spätestens seit den Paralympics 2012, die in die Medien und in die öffentliche Wahrnehmung weiter vorgedrungen sind als sämtliche Paralympics je zuvor, das Interesse und sogar auch die Lust, einen Spielfilm über selbstbestimmt lebende Menschen mit Behinderungen auszustrahlen und anzusehen, endlich groß genug waren.

Im letzten Jahr wurde das Vorhaben also so greifbar, dass Peter Kahane konkret mit dem Schreiben begann und damit jeder seiner Filmfiguren nach und nach Leben und Charakter eingehaucht hat. Ich stelle mir das sehr schwierig vor: Einerseits darf so eine Gruppe nicht zu groß werden, andererseits wollen die handelnden Personen möglichst interessant sein und irgendwie miteinander verzahnt. Andererseits ist immer nur Friede, Freude, Eierkuchen stinklangweilig. Eine spannende Handlung muss auch noch her, so realistisch wie möglich und dabei doch möglichst außergewöhnlich soll es auch noch sein – keine einfache Aufgabe. Und eine der wohl schwierigsten Hürden in diesem Fall wähne ich darin, etwas darzustellen, was vor allem von der dargestellten Szene, sprich: den Rollstuhlfahrern, abgenommen wird. In ihr vermute ich die schärfsten Kritiker.

Peter Kahane hat sich aus meinem Blog für seine Maria viele Inspirationen geholt. Es ist mir eine Ehre, dass ich ihm bei seinem Projekt helfen durfte und, wie er sagt, auch geholfen habe. Auch hat er meinen Blog den Schauspielern und Mitarbeitern als Lektüre empfohlen. Er sei „ein starkes Dokument“ und, ehrlich gesagt, bin ich darauf auch etwas stolz.

Seien wir doch realistisch: Nicht wenige Menschen können sich auch heute noch nicht vorstellen, dass eine Querschnittgelähmte ausgerechnet Medizin studiert, Kinder bekommt, fremdgeht, Auto fährt, ein Haus baut oder einfach nur glücklich ist. Ich sage nicht, dass die Mehrzahl der Menschen so denkt. Ich sage auch nicht, dass Peter Kahane so denkt. Aber ich weiß, dass er weiß, dass es Menschen gibt, die so denken. Wenn es ihm mit seinem Film gelingt, auch nur einen dieser Menschen zum Nachdenken anzuregen, freue ich mich, dass ich Inspirationen und Bestätigungen geben durfte. Ich bin mir sicher, es wird ein guter Film.

Über den genauen Ausstrahlungstermin (derzeit ist der 18.01.14 grob geplant) werde ich rechtzeitig informieren.

Man sucht mich mal wieder

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Es gibt doch fast keinen schöneren Anlass als den 2.000.000. Seitenaufruf, um mal wieder einen Blick auf die Suchstatistiken zu werfen. Nein, nicht schon wieder das Suchmaschinenspiel, das hatten wir gerade. Ich meine die richtigen Anfragen.

Suche auf meiner Seite:

Jule inkontinent (251 Mal im letzten Monat):
*seufz*

Jule nackt:
*nochmal seufz*

Pobacken gespreizt:
*nochmal seufz*

Wie oft masturbierst du:
*nochmal seufz*

Blog von Jürgen im Rollstuhl:
Hier nicht.

Ein Witz über Jule:
Erzähl mal!

Habe erfahren, dass Frauen auch masturbieren:
Ja, aber erzähl es nicht weiter!

Latexschürzen:
Bei uns in der WG gibt es Papierschürzen für das Pflegepersonal, gehen die auch?

Mit Leggings schwimmen:
Mach mal Fotos davon und dann sagst du mir Bescheid, wo ich sie angucken kann, okay?

Laut gerülpst aus Versehen:
Nicht so viel Cola trinken!

Meine gelähmten Beine sind schön:
Echt? Meine auch.

Keine Arme, keine Füße!:
Nee, es heißt: Keine Arme, keine Kekse!

Angst vor Rollstuhlfahrern:
Ich bin ganz lieb!

Ärger wegen geliehenem Geld:
Einfach zurückzahlen!

Baden in sexy Leggings:
Noch mehr Bilder machen!

Bezahlen die Krankenkassen Oxybutynin:
Als Tablette ja, als Instillation nur im Ausnahmefall.

Bin Windelfetischist:
Bin Stinkesocke!

Blasendruck im Neoprenanzug:
Hoffentlich ist es dein eigener.

Blindenhund im Schwimmbad mit ins Wasser?:
Eher nicht.

Bloggen über dein geklautes Smartphone:
Ich klaue keine Smartphones!

Colaflaschen mit Namen Stinkesocke:
Das wäre doch mal eine Idee!

Druckstelle an der Scheide durch zu enge Jeans?:
Das kann tatsächlich passieren!

Es erregt mich im Park vor Fremden zu pissen:
Du Ferkel!

Es gibt zu viele Behinderte:
Das stimmt. Bau Barrieren ab, dann sind es weniger. Schönen Tag noch!

Estrichstufe reparieren:
Davon habe ich keine Ahnung und davon will ich auch keine Ahnung haben!

Feinstrumpfhosen und Gipsbein lieben:
Mach ruhig.

Frauenwettbewerb im Weitstrullen:
Mit männlichem Schiedsrichter?

Gehst du in gemischte Sauna:
Ja, auch.

Geistig Behinderte finde ich eklig:
Alle?

Haftet das Ordnungsamt für Vogelkot auf Privatparkplatz:
WTF?

Handbike warum benötigt man es:
Ein Handbike ist wie ein Fahrrad. Warum benötigt man ein Fahrrad?

Hans-Albers-Platz Kotze:
Von mir ist die nicht!

Ich männlich Rollstuhlfahrer fahre gerne nackt:
Na dann mal los. Auch draußen?

Im Einteiler gefesselt:
Oha. So schwierig sind die doch eigentlich gar nicht auszuziehen, oder?

Ist es normal, dass 15jährige noch Pampers tragen:
Nein.

Jule aus Hamburg fickt alles und jeden:
Aktiv? Wie macht sie das denn? Mit einem Umschnallpenis?

Jule Badeshorts runterziehen:
Ich trage keine Badeshorts.

Jule arbeitet im Geschirrspüler:
Nee. Aber Angie arbeitet in der Waschmaschine!

Kann man bei 19 Grad in der Ostsee baden:
Ich habe auch bei 14 Grad schon drin gebadet. 19 Grad ist angenehm.

Kinderturnen reicht Badeanzug:
Häh? Wie wäre es mit Hose und Shirt?

Kostenlose Sexfilme an öffentlichem Badesee:
Wo gibt es denn sowas?!

Krankenhausessen voll pupsen:
Bestell dir Schonkost!

Mädchen in engen Reithosen sahst du früher auch so sexy darin aus:
Bestimmt.

Mann im Badeanzug:
Sieht bestimmt auch sexy aus.

Masturbation als Rollstuhlfahrerin im Sitzen anstrengend:
Leg dich aufs Bett!

Masturbation im Neoprenanzug anstrengend:
Zieh das enge Ding doch aus!

Mehrzahl Taxi:
Taxis?

Mein Nachbar hört gute Musik, egal ober will oder nicht:
Ahja 😀

Meine beste Freundin trägt zum Turnen Gymnastikanzug:
Macht dich das an?

Meine Freundin trägt geile Leggins, wo viel zeigen, das erregt mich:
Und dann sitzt du noch immer vor dem PC?

Neoprenanzug, muss man ihn auf dem Klo ausziehen?:
Du kannst ihn auch vor dem Klo ausziehen.

Neoprenfetisch, wer steht drauf:
Erzähl mal.

Pferde schwimmen mit Klamotten schonmal gemacht:
Mein Pferd hatte nie Klamotten an, aber wenn du wissen willst, ob ich mal mit Reitsachen im Wasser war: Ja, sogar öfter.

Rollschuhgerechte Wohnungen in Hamburg:
Eine Inliner-Wohnung sozusagen?

Rückennarbe Querschnittlähmung Unfall:
Ein relativ sicheres Erkennungszeichen.

Sauna Azubi Ständer:
Was es alles für Fantasien gibt…

Schweinchenfilme auf Jules PC:
Nee, keine.

Thrombosespritzen bei gelähmter Person:
Ja, wenn sie im Bett liegt, sollte man die nicht vergessen.

Video, Mama zeig mir deine Harnröhre:
Auweia. Das toppt ja noch den Azubi.

Warum ist mein Stuhlgang in der Toilette:
Weil du gerade zum Abführen auf Klo warst?

Was machen Handbiker:
Handbiken?

Wer würde da nicht gerne mal in einem Rollstuhl sitzen:
Tu dir keinen Zwang an!

Wie befriedigt man sich mit einer Socke:
Finde es selbst heraus! Kleiner Tipp: Nimm frische Socken.