Irgendjemand aus dem Raum Freiburg hat seine ganze Clique motiviert, mir Mails zu schreiben. Zumindest steht dort einer der Server, über den mir Mails gesendet werden. Aus Hannover kam ein zweiter Schwung. Der Inhalt: Man sage „Spasti“ nicht. Rund 30 Mal dieselbe Grütze. Böse Stinkesocke!
Naja, grundsätzlich fährt man mit dem Verbot, laut „Spasti“ zu sagen, auch ganz gut. Und alle, die nicht begreifen, warum man das nicht sagt, auch und schon gar nicht als Schimpfwort, sollten sich wohl auch einfach an dieses Verbot halten. So bestehen gute Chancen, dass deine Mudda dir nicht den Lutscher wegnimmt.
Meinen Lieblingsspasti rede ich in Mails übrigens tatsächlich mit „Hi Spasti“ an. Sie unterschreibt sogar mit diesem Spitznamen. Genau, ein Spitzname. Nicht Schnucki, Schwänli, Bärli oder Schokopupsi, sondern Spasti. Ich nenne Menschen beim Spitznamen, wenn ich sie lieb habe.
Wenn also schon kein abgrundtiefer Hass aus mir bricht, während mir dieses Wort über die Lippen gleitet, möchte ich die Frage stellen, ob man jemandem so einen Spitznamen geben darf. Und meinen Kritikern recht geben, die ausführen, dass man niemanden auf seine Behinderung reduzieren sollte. Da bin ich völlig derselben Meinung. Und ich finde, gerade wenn ein Mensch mit einer Behinderung von einem anderen Menschen mit Behinderung „Spasti“ genannt wird, schreit diese gewollte sanfte Provokation förmlich danach, diesen Menschen eben gerade nicht über seine Behinderung zu definieren. Oder sie betont unauffällig zu verleugnen. „Du Spast“ würde ich allerdings niemals zu jemandem sagen – klingt schließlich weder liebevoll noch niedlich.
Ist es immer okay, wenn der oder die Betroffene einwilligt?
Natürlich nicht. Krassestes Beispiel: Wenn sich zwei duellieren wollen und schriftlich vereinbaren, dass der überleben möge, der seine Waffe zuerst abfeuert, kann der Sieger sich einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit Sicherheit nicht entziehen. Zumindest in Deutschland nicht. Hoffe ich doch.
Ähnlich ist es beim Zwergenweitwurf. Was? Ja, sowas gibt es. Ist verboten, das vorweg. Aber es gab mal ein paar kleinwüchsige Menschen, die sich im Rahmen eines Stunts durch die Luft werfen ließen. Wer am weitesten warf, bekam einen Gewinn. Es wurde argumentiert: Dazu gehören zwei. Einer, der wirft, und einer, der sich werfen lässt.
Falsch. Dazu gehören noch mehr. Nämlich mindestens alle kleinwüchsigen Menschen. Denn hier wird nicht irgendwer geworfen, sondern jemand, der wegen einer Behinderung besonders einfach zu werfen ist. Es werden nicht Paul oder Peter fair in einem Spiel besiegt, sondern es werden kleinwüchsige Menschen als Zwerge durch die Gegend geschleudert. Kleinwüchsige Menschen werden bei diesem Spiel auf ihre Behinderung reduziert. Es wird grober Unfug veranstaltet, der sich mit der Menschenwürde nicht vereinbaren lässt. Menschen sind mehr als Wurfgeschosse.
Ich sehe das so: Als Mensch und Mitglied der Gesellschaft habe ich auch einen erheblichen Teil (zum Inklusionsprozess) zum Miteinander beizutragen, um nicht wegen meiner Einzigartigkeit gruppiert und diskriminiert zu werden. Dazu gehört, dass ich meine Würde genauso achte wie die anderer Menschen. Und dazu gehört, dass ich mich nicht diskriminieren lasse oder gar zur Diskriminierung meiner Person aufrufe.
„Liliputaner Action: Wer den Liliputaner einsperrt, bekommt einen Flatscreen“, so lautete die schon mehrmals stattgefundene Aktion einer Cuxhavener Diskothek. Ein kleinwüchsiger Mensch musste gefangen werden – wer das schaffte, bekam einen Fernseher. Es klingt zwar unglaublich, aber es stimmt. Und der kleinwüchsige Mensch hat mitgemacht. Er müsse schließlich irgendwie seine Familie durchbringen. Traurige Berühmtheit bekam die Aktion, als der kleinwüchsige Mensch stürzte und sich schwer verletzte. Nicht bei der „Liliputaner Action“ selbst, aber …
Ich vermute, dieser Mensch ist sehr einfach gestrickt. Vielleicht ist er nicht das hellste Licht im Leuchter, vielleicht hat er auch nicht alle Tassen im Schrank. Der Verletzte hat überhaupt nicht bestritten, die Aktion freiwillig mitgemacht, sogar vorgeschlagen zu haben. Ich bin bekanntlich gegen jede Bevormundung und gegen jede Form intensiver Kontrolle und Überwachung. Ich möchte zuerst an die Fähigkeiten jedes Einzelnen glauben können. Aber ganz offensichtlich gibt es nicht nur mindestens einen Menschen, der sich für Geld verspotten lässt und damit jede Würde mit Füßen tritt, für die andere unermüdlich kämpfen; sondern auch noch ganz viele, die für einen Flachbildfernseher sämtlichen Verstand garagieren. Braucht es also tatsächlich jemanden, der den Leuten die Lutscher wegnimmt, weil sie mit zuviel Freiheit im Hirn nicht umgehen können?
30 Gedanken zu „Liliputaner Action“
Ich möchte jedes Wort dieses Beitrags unterschreiben.
Man stelle sich vor, eine Disco würde eine Veranstaltung "Wer den Neger einsperrt…" oder "Wer den Behinderten einsperrt…" nennen. Der Aufschrei wäre bei gleichem Sachverhalt noch viel größer. Nur weil es (immer) jemanden gibt, der den größten Mist auch freiwillig macht, heißt das noch lange nicht, dass etwas gemacht werden darf.
Es geht eben nicht darum, dass der kleinwüchsige Mensch das freiwillig gemacht hat, sondern es geht darum, dass solche Aktionen nicht stattfinden dürfen, da sie gegen die Würde des Menschen verstoßen. Und dahinter muss ggf. das Recht des einzelnen auf freie "Berufs"ausübung eben zurückstehen.
Wenn ich die Presseberichterstattung richtig verfolgt habe, will der Kleinwüchsigenverband ja auch ein Verbot solcher Veranstaltungen – analog zum Verbot des "Zwergenweitwurfs" – erreichen. Auch als jemand, der Verboten grundsätzlich sehr, sehr kritisch gegenübersteht, finde ich das ausgesprochen gut!
"Braucht es also tatsächlich jemanden, der den Leuten die Lutscher wegnimmt, weil sie mit zuviel Freiheit im Hirn nicht umgehen können?"
Danke. Ich wünschte ich könnte so schreiben wie du.
Chapeau, Madame.
Wen nennst du denn Schokopupsi? 😀
Hallo Jule, ich wollte nicht glauben, dass es sowas wirklich gibt. Ich musste Google bemühen. Es wurde bestätigt. Ich bin fassungslos.
Ich habe gerade meiner 16jährigen Tochter erzählt, dass es in einer Disko jetzt eine lustige Aktion gibt, wo ein Liliputaner gefangen werden muss. Ich wollte herausfinden, wie sie darauf reagiert.
"Mama, sowas ist nicht witzig. Versetz dich mal in die Lage von anderen behinderten Menschen. Ich wette, die Mehrzahl findet das nicht so klasse."
Nun geht sie auf eine Schule, wo seit Klasse 5 zwei Mädchen im Rolli mit in ihrer Klasse sind. Aber du glaubst gar nicht, Jule, wie stolz ich gerade auf meine Tochter bin.
Und auf dich sowieso!
Wie geht es wohl einem Kleinwüchsigen, der eine Woche später nichts ahnend in diese Disco kommt. Muss der nicht Angst haben, auch gejagt zu werden? Unfassbar.
"Oh, hast du einen neuen Fernseher?"
"Jo."
"Wo gekauft?"
"Hab ich gewonnen. Hab einen Liliputaner eingesperrt."
— Szenenwechsel —
"Oh Mama, krieg ich endlich ein neues Computerspiel?"
"Ja, Papa hat Geld mit nach Hause gebracht."
"Yeah, hat er wieder einen Job?"
"Ja, er spielt 'Lilliputaner einsperren' in der Disko."
"Cool, kann man das auch online spielen?"
Ich kann deine Argumentation im Großen und Ganzen gut nachvollziehen. Allerdings bleibt noch der Umstand, dass deine Leser zwar vermuten, aber nicht wissen können, dass ihr beide euch privat so anredet. Somit sind Irritationen und Missverständnisse möglich. Daher hätte ich den Spitznamen außerhalb der privaten Kommunikation wohl nicht verwendet.
Müßten dann zum Schutze der dort Verhöhnten nicht auch DSDS, Dschungelcamp usw. verboten werden? Oder wo ist der Unterschied zwischen der Würde der dortigen Teilnehmer und derjenigen der hier beschriebenen?
@17.16 Uhr:
Der Unterschied besteht darin, dass sich hier ein Mensch mit einer katalogisierbaren körperlichen Einschränkung diskriminieren lässt.
Es geht nicht darum, ob man in der Disko Fangen spielt. Und der kleinwüchsige Mensch mitspielt.
Und es geht auch nicht darum, ob man bei DSDS und im Dschungelcamp einen kleinwüchsigen Menschen teilnehmen lässt.
Es geht darum, dass der kleinwüchsige Mensch seinem Umfeld einen Zugriff auf die Besonderheiten, die sich aus seiner körperlichen Einschränkung ergeben, unter Verzicht auf seine menschliche Würde ermöglicht.
Diesen Zugriff können die meisten DSDS-Kandidaten nicht ermöglichen. Da ist der Unterschied.
Auch mir ist dein freier Umgang mit dem Wort Spasti durchaus hier und da aufgefallen. Ich kann es nicht bestätigen und deine Texte machen es nicht immer deutlich, aber die Art und Weise wie du deinen Blog führst, haben mich dabei immer Folgendes annehmen lassen. Dass du genauso wie bei Vornamen und Erwähnungen generell die Leute fragst, bzw irgendwann persönlich geklärt hast, dass das im persönlichen Miteinander ok ist. Denn das ist für mich die einzig geltende Erklärung, um Begriffe, die die große Mehrheit der betroffen Personen wahrscheinlich als beleidigend und diskriminierend auffassen würde, zu verwenden.
Ein Vergleich ist das leider oft freizügig ausgeschriebene und völlig ohne bedacht verwendete N-Wort, sowohl im Deutschen als auch im Amerikanischen Sprachraum. Und das obwohl es lautstarke Vereinigungen von betroffenen Menschen gibt, die fordern, diesen Begriff nicht mehr zu verwenden. Viele kennen vielleicht Darstellungen von Wohngegenden in den USA in denen vorwiegend POC wohnen, die sich gegenseitig damit bezeichnen. Der Unterschied ist, dass es in diesem Fall oftmals eine Selbstbezeichnung ist und alle Beteiligten einverstanden sind. Wenn der letztze Punkt nicht zutrifft, ist es auch in diesem Kontext nicht okay, da eine gewisse Autorität darüber, wie man selbst angesprochen werden möchte, respektiert werden muss.
Um aufs Thema zurück zu kommen. Dass Jule "Spasti" verwendet geht eigentlich nur klar, wenn es auf konkrete Personen bezogen ist, diedavon wissen und kein Problem damit haben. Ich hab das immer vorrausgesetzt, da sie einen sehr respektvollen Umgang mit den meisten Menschen pflegt.
Zugegeben jedoch, der Satz "Ist es immer okay, wenn der oder die Betroffene einwilligt? Natürlich nicht." Gilt schon irgendwie. Ein Verhalten das in einer gewissen Menschengruppe okay ist, muss nicht über die Grenzen dieser Gruppe hinaus gelten. Das in dieser Gruppe als selbstverständlich geltende Verhalten der breiten Öffentlichkeit sichtbar zu machen, führt dazu, dass die sehr speziellen Bedingungen, weswegen es innerhalb der Gruppe okay ist, ausgeblendet werden und andere nur sehen, dass das Verhalten als selbstverständlich gilt und zwar allgemein.
Insofern finde ich, wenn diese Gruppe verlassen wird. sollte der eigene Anspruch an sich selbst gelten, dieses Verhalten entweder zu erklären oder darauf zu verzichten. Denn es ganz unreflektiert in den Raum zu stellen sendet ein falsches Bild und ist rücksichtslos gegenüber den Menschen, die durch dieses Verhalten auch betroffen sind und es nicht okay finden.
Part 1/2
[Wieder mal zu lang gefasst -.-]
Inwiefern das "sich erklären" in der Vergangenheit passiert ist, weiß ich tatsächlich nicht sicher, da war ich nicht sehr aufmerksam. Was den letzten Blogeintrag jedoch angeht, finde ich, dass er tatsächlich sehr missverständlich wirkt.
In diesem Eintrag hier schreibst du von einer weiblichen Person, die du als Spasti anschreibst. Julius wird also wahrscheinlich nicht gemeint sein, den du immerhin als männlich bezeichnest. Wie gut du Julius genau kennst ist mir also überhaupt nicht klar. Sein Projekt ist öffentlich, ob er zu deinem persönlichen Freundeskreis zählt, geht nicht so wirklich aus dem Text hervor, ob der Mailverkehr zwischen euch vor deinem Editieren des Textes schon erwähnt wurde, weiß ich nicht mehr sicher (siehe meinen anderen Kommentar 😉 zum anderen Beitrag) und die Annahme, dass du ihn auch nur durch diese Webseite kennst ist irgendwie schon gerechtfertigt. Und doch bezeichnest du ihn als Spasti. Anders als bei deinen engen Freundinnen, die du öfters erwähnst, fällt es mir hier also schwerer zu glauben, dass du da vorher ein OK eingeholt hast.
Ähnliche Gedanken hatte ich in der Vergangeheit bereits wenn du von Menschen berichtet hast, die du in Trainigslagern getroffen hast oder ähnlichen kurzen Situationen. Leider fällt mir kein Beispiel ein, kann also auch eine falsche Erinnerung sein. Da war zumindest der Faktor dabei, dass du eine menge persönliche Zeit mit diesen Leuten verbracht hast. Ob das hier der Fall ist, weiß ich eben nicht :/
Und ob du nun ohne ein OK von Spasti sprichst, oder eben das OK hast, das aber niemanden vermittelst und es somit alltäglich erscheinen lässt so zu reden, ja ich finde beides Kritik würdig.
Aber hey, der Beitrag zu dem ich hier schreibe, hat das Thema zumindest ansatzweise angesprochen. Auch wenn er dann komplett den Kontext wechselt und alle nur noch über Kleinwüchsigkeit reden :/
Part 2/2
Ich weiß nicht, ob ich bisher einfach falsch informiert war und mich daraus resultierend falsch verhalten hab. Aber ich habe das bisher immer so gehandhabt, dass Wörter wie "behindert!" oder auch "Spast!" als Schimpfwort gar nicht gehen. Weil man damit eben nicht (nur) den Gegenüber beleidigt, sondern auch Menschen mit einer Behinderung verletzt. Aber als sachliche Beschreibung eines behinderten Menschen – also auch "Spasti" als nette Abkürzung für "Spastiker" – das klar geht. Ich meine sonst kann man sich ja auch den Mund fusselig reden, wenn man irgendwie um das Wort herum denken soll.
Problematisch halte ich solche Ausrufe, die bereits so sehr in unseren Sprachgebrauch übergegangen sind, dass man sie wohl akzeptieren muss und nicht mehr mit der Behinderung verknüpfen sollte. Zum Beispiel, wem rutscht nicht mal ein "Bist du blind, oder was?" raus, wenn der Gegenüber etwas sehr Offensichtliches übersieht?
Ich lasse mich aber auch gerne eines besseren belehren 😉
@roulbu: was ist dein ein poc? google spuckt da ne ganze menge verschiedener bedeutungen fuer aus. ich finds immer gut, wenn man abkuerzungen erst einmal ausschreibt und eben in klammern dahinter setzt. das waere jedenfalls die wissenschaftliche variante.
Pocman ist der kleine Bruder von Pacman. Und Piggeldy ist der kleine Bruder von Frederick.
Übertreibt es nicht mit eurer PC, liebe Kommentatoren!
Och Juleee, wieso nennst du mich denn nicht so? Das finde ich jetzt schade. 😉
Ich persönlich weigere mich mittlerweile, "Spasti" als Schimpfwort zu sehen. Es ist unbezahlbar, sich umzudrehen, wenn irgendjemand zu irgendwem "Ey, Spasti!" sagt und dann zu fragen: "Jaa? Was ist denn?"
Die Gesichert sind traumhaft in dem Moment.
Sry, Angewohnheiten die aus Communities stammen, in denen das geläufig ist.
POC steht für person/people of color. Es handelt sich dabei um eine von Menschen die von Rassimus betroffen sind weit verbreitet anerkannte Selbstbezeichnung.
Darüber hinaus gebe ich nussundpoint durchaus recht. "Spasti" als Abkürzung zu verwenden klingt durchaus verständlich. Mir ist diese Verwendung nur nie untergekommen (außerhalb diesen Blogs zumindest), sondern immer eher als Beleidigung. Von daher verbinde ich damit immer eine gewisse Zurückhaltung.
Aber tatsächlich relativiert es einiges.
Darüber hinaus, ich hab genug Diskussionen um das englische "Dude", oder im Deutschen "dumm" oder "blöd" erlebt. Das aus dem Sprachgebrauch zu verbannen stelle ich mir auch nahezu unmöglich vor.
@22:57
"PC" ist meines Wissens nach eine Fremdbezeichnung, die anderen Menschen aufgedrückt wird um ihre Ansichten als Übertrieben abzutun.
Ich finde es durchaus wichtig und lohenswert zu überlegen und zu diskutieren, wie Diskriminierung verringert werden kann.
Nö, einfach nur nö… zuerst, ich habe von diesem Fall nirgends vorher etwas gelesen oder gehört und beziehe mich somit nur auf die Infos, die auch hier stehen – sollten also einige Umstände der Sache anders liegen, als hier beschrieben oder tiefere Kenntnis des Falles vorraussetzen, bitte ich diesen Kommentar zu entschuldigen… aber so wie sich hier die Sache darstellt, kann ich zumindest den Teil über den Kleinwüchsigen in der Disko so nun überhaupt nicht zustimmen: wer legt denn bitte fest, wann die Würde eines Menschen verletzt ist? Jule? Die Kirche? Demokratisches Empfinden? Nichtmal der Staat – der dazu neigt wirklich alles zu reglementieren – hat eine klare Definition für Menschenwürde festgelegt. Und weißt du warum? Weil das subjektiv ist. Natürlich gibt es Grenzen, natürlich sind einige davon "allgemeingültig" (zu denen findet man dann auch Gesetze), aber in erster Linie legt jeder Mensch selbst fest, wo die Grenzen seiner Menschenwürde liegen. Muss ein Kleinwüchsiger jetzt verpfichtend symbolisch für alle Kleinwüchsigen stehen, ohne, das er dem widersprechen darf? Man mag das ja jetzt nicht glauben, aber auch das ist Diskrimierung. Wenn also ein geistig gesunder Kleinwüchsiger eine solche Idee hat, sie umsetzt und damit Erfolg hat (und vielleicht sogar noch Spaß dran), zeigt das bestenfalls, das die Besucher dieser Disko auf recht seichte Unterhaltung stehen. Nicht mehr, nicht weniger. Dieser Mensch ist ein Individum, kein Symbol einer Gruppe von Menschen. Und ja, er "eignet" sich aufgrund einer Eigenschaft halt für dieses Spiel… so wie sich eine Frau im Regelfall besser für Bikinimodewerbung eignet, ein Mann sich im Regelfall besser als Stahlbetonbauer eignet, sich gesprächige Menschen besser als TV/Radiomoderatoren eignen, besonders große Menschen sich dagegen für Basketball. Es sind alle Menschen gleich viel wert, aber es sind eben nicht alle Menschen gleich – und das ist gut so. Würde dieser Kleinwüchsige nun dadurch einer besonderen Gefahr ausgesetzt (wie eben beim "Zwergenweitwurf")… oder würde er geistig nicht erfassen können, was er da tut… oder würde er aus irgendeinem Grund in diese Rolle gedrängt werden, wäre das was anderes – aber nicht davon lese ich hier und folglich dessen sollte er auch sein Leben so gestalten können, wie er das möchte und dieses Recht (das Recht auf freie Selbstbestimmung) sollte SEHR weit über dem stehen, ob sich nun irgendein Verband dazu genötigt sieht, da zu meckern, weil er diese Person offenbar entgegen eigenem Willen für sich vereinnahmen will. Das ganze erinnert ein wenig an die Zigeunersauce…
@roulbu: ich war ein jahr in den usa und wenn man da black zu leuten gesagt hat, war das gar kein problem. ich finde diese uebertriebene political correctness viel rassisstischer, als wenn man einfach ganz normal mit den leuten umgeht. was ist daran so schlimm, wenn man als beschreibung schwarz sagt?
@Jule 11. Oktober 2013 19:55:
Das sehe ich ein bisschen anders. Man kann darüber streiten, ob es schlimmer ist, einen Menschen wegen seiner körperlichen Behinderung zu einem Objekt fremden Handlens zu degradieren, oder aufgrund seines mangelenden Gesangstalents.
Wenn sich bei DSDS ein Kandidat vor Angst in die Hosen macht, und Dieter Bohlen das mit Gemeinheiten kommentiert, während RTL die ganze Szene nochmal in Zeitlupe zeigt (soll in der Sendung schon vorgekommen sein), dann wird die Würde des Kandidaten auch mit Füßen getreten. Dass der sich freiwillig in diese Situation begeben hat ändert nichts an der Tatsache.
Einen Unterschied sehe ich höchstens bei der Wirkung auf das Publikum: Dadurch dass eine körperliche Einschränkung als "Aufhänger" genommen wird, überträgt sich die objektifizierende Sichtweise der Zuschauer wohlmöglich auf alle anderen, die eine ähnliche Behinderung haben.
Ich will damit nicht sagen, dass Casting Shows wie DSDS grundsätzlich menschenverachtend sind, aber wenn das Fernsehen bei den Vorauswahlen zeigt, wie Menschen sich komplett blamieren, und einer wie der Bohlen noch mal genüßlich nachtritt, finde ich das ebenso menschenverachtend, wie den "Zwergenweitwurf".
Ich möchte den Beitrag mal nicht unterschreiben – wäre ja langweilig, wenn alle einer Meinung sind. ^^
Wenn ein Kleinwüchsiger sich zur Bespaßung anderer fangen lässt, halte ich das nicht für eine Frage der Menschenwürde, solange er das freiwillig tut und auch die Begründung 'irgendwie muss man die Familie ja durchbringen' halte ich für sehr gerechtfertigt.
Wir alle nutzen die Eigenschaften, die uns gegeben sind. Ich habe keine besonderen angeborenen Eigenschaften, für die jemand Geld bezahlen würde. Ich musste mir diese Eigenschaften anstudieren, damit sich jemand für mich in der Form interessiert, dass ich meine Familie durchbringen kann.
Eine Micaela Schaffrat oder wie der Dschungelcampbusen hieß stellt ihre Behinderung ebenfalls zur Schau und lebt gut davon. Ich als menschliches Wesen fühle mich da auch in meiner Menschenwürde angegriffen, aber hätte ich diese Eigenschaften, keinen Bock zu studieren und möchte gleichzeitig ausreichend Geld ohne großen Aufwand erhalten, so ist das nackt posieren doch durchaus zu akzeptieren. Schön finde ich das nicht, wenn der Busen wie ein Luftballon aussieht, aber wenn andere dafür Geld bezahlen… so hat jeder seinen Kundenkreis.
Der Frau geht's bestimmt nicht schlecht damit. Wenn so ein Gartenzwerg seine Behinderung nun aus eigenem Antrieb als Vorteil für sich nutzt, habe ich da kein Problem mit. Auch das muss ich nicht gut finden, aber ich kann es akzeptieren. Und ganz ehrlich: Wenn er kein Problem damit hat, wieso sollte ich mir eins daraus machen?
Jede Daueraushilfe in der Geisterbahn macht sich für viel weniger Geld zum Affen. Wir prostituieren uns alle, um Geld zu verdienen. Die einen mit Sex, die anderen posieren mit besonderen körperlichen Eigenschaften – egal ob aus Silikon oder aufgrund von angeborenen körperlichen Besonderheiten oder jemand wie ich, der einen Arbeitgeber auch nicht braucht, um Beschäftigung zu finden, sondern um Geld zu verdienen. Ich langweile mich in meiner Freizeit nämlich überhaupt nicht.
Wo bleibt da meine Menschenwürde? Warum werde ich von der Gesellschaft zu einer Tätigkeit gezwungen, obwohl ich lieber andere Dinge tun würde?
Und auch was ich mache findet nicht jeder gut. Manche finden meine Arbeit gut und zahlen dafür, andere finden meine Arbeit nicht gut oder gar falsch. Muss ich mich jetzt nach denen richten, die glauben, ich müsste meine Arbeit anders gestalten? Es steht diesen Leuten durchaus zu, ihr Geld über ein eigenes Angebot zu verdienen, das eher ihren Vorstellungen entspricht.
Wir alle verkaufen unsere Andersartigkeit. Manche sind von Geburt aus anders. Manche nennen das "Behinderung", andere sehen darin eine Chance, mit weniger Anstrengung oder mehr Spaß an Geld zu kommen. Wer von der Natur aus keine Besonderheiten zu bieten hat, muss sich entweder mehr anstrengen oder wird vielleicht Hilfsarbeiter. Viele schaffen auch nicht mehr als Hilfsarbeiter. Nicht behindert zu sein, bedeutet schlielich nicht, nicht einfach gestrickt zu sein.
Ich weiß, dass es genug Behinderte gibt, die in Armut leben. Aber das gilt auch für Nichtbehinderte. Du, Stinkesocke, schreibst über Deine finanzielle Situation recht offen und vielleicht ist Dir daher das Argument "Man muss seine Familie durchbringen" daher nicht so geläufig, denn Deine Dir zugefügte Besonderheit versorgt Dich schließlich finanziell ausreichend, so dass die Frage für Dich glücklicherweise nicht mehr die Priorität besitzen muss. Diese Freiheit gönne ich Dir und möchte auch dafür auch nicht unbedingt mit Dir tauschen, aber ich habe nicht den Luxus, zu Arbeiten, weil ich Lust dazu habe. Tue ich das nicht, kann ich meine Rechnungen nicht zahlen. Darum prostituiere ich mich in der Form, dass ich mein anstudiertes Wissen gegen Geld vermarkte. Ich bin dadurch besonders, weil ich Wissen und Zeit habe und mein Chef beides nicht hat. Das Wissen macht mich besonders, das kann nicht jeder. Darum bezahlt er mich.
…to be continued…
tl;dr Teil 2
Andere müssen mit den Gegebenheiten klarkommen und wenn ein Kleinwüchsiger seine angeborene Besonderheit finanziell ausnutzt und das freiwillig macht – wer bin ich, ihm das zu verbieten oder den Moralapostel zu spielen?
Ein Tom Gerhardt macht sich auch zum Depp und der weiß auch warum. Weil die einfach gestrickten Leute, die auch Kleinwüchsige für Flatscreens fangen, ihm fürstlich dafür entlohnen und Spaß dabei haben. Tom Gerhardt ist gebildet, intelligent und wortgewandt. Er hat Germanistik und Philosophie studiert. Und der sagt in (ernstgemeinten) Interviews auch "Wenn ich mit so einem Scheiß große Kasse mache, wäre ich ja blöd, was anderes zu machen.". Ich muss Tom Gerhardt Besonderheit nicht gut finden, aber ich bin sicher er bekommt seine Familie durch und das kann ich durchaus akzeptieren und respektieren. Ich finde den Mann auch nicht unwürdig deswegen.
Da kann ich nicht sagen "Dieser studierte Philosoph verkauft sich unter meiner Vorstellung seines Wertes und deswegen darf er das nicht".
Es ist moralisch den Kleinwüchsigen zu beschützen. Aber wenn das für ihn in Ordnung ist – unabhängig davon wie er "gestrickt" ist – ist es moralisch mindestens genauso ihm diese freiwillige Entscheidung sich zum Deppen zu machen untersagen zu wollen. Das muss jeder Kleinwüchsige für sich entscheiden.
Und eben auch jeder Nicht-Behinderte, wie z.B. Tom Gerhardt.
Moral ist ein gefährlicher Ratgeber.
Jeder Mensch mit höchsten moralischen Vorstellungen muss für sich soweit klarkommen. Nur weil sich Tom Gerhardt in der Öffentlichkeit zum Idioten macht und ich mich eher Fremdschäme als darüber zu lachen, greift er nicht meine Menschenwürde an. Meine Würde ist meine Sache.
Und genauso ist jeder Behinderte ein Individuum mit einer eigenen Menschenwürde mit der er machen kann, was immer er mag und was sein Selbstbewusstsein hergibt. Wenn ein Herr Rainer Calmund seine schwabbelnde Wampe im Schwimmbecken in Nahaufnahme im Fernsehen zeigen will – Respekt, das ist Selbstbewusstsein. Und für mich etwas unansehnlich. Ob das würdig ist… da darf jeder eine eigene Meinung zu haben, meine Wampe kommt nicht ins Fernsehen, weil ich das für mich als nicht würdig empfinden würde.
Aber ich muss das nicht für Herrn Calmund entscheiden. Auch der kommt mir manchmal etwas einfach gestrickt vor, aber ich bin sicher, der bekommt seine Familie auch sehr gut durch. Ich zweifle da eben kurz an der Menschheit, greife nach der Fernbedienung und weg.
Das geht auch ohne einen Moralischen zu bekommen. Die RTL-Zuschauer haben ihren Spaß, Rainer Calmund bekommt dafür sein Geld und grinst sich einen und ich kann wieder über den Unterschichten-Sender lästern. Ohne die Moral zu bemühen gewinnen hier alle.
Mensch, so viel Gedöns wegen eines Wortes. Immerhin hat die an einer spastischem Lähmung leidende Mitbewohnerin auf Grund ihrer Ungeschicklichkeit Jule zu einem zweiwöchigen Krankenhausaufenthalt verholfen.
Da Jule selber behindert ist, darf sie das sagen.
Grüße
Andreas
Diskriminierung soll man an Taten und nicht an Worten messen. Man kann noch so schöne Worte und korrekte Worte finden, aber kaufen kann sich der Betroffene nichts. Viel wichtiger ist die Integration Behinderter in den Alltag. Angefangen von behindertengerechten Toiletten, funktionierenden Fahrstühlen, bis hin zum Arbeitsplatz. Dafür lohnt es sich zu kämpfen, und nicht umso Firlefanz.
Nee, auch nö! 🙂
Ich weiß nicht, ob ich so verstanden worden bin, wie ich es ausdrücken wollte, daher versuche ich es nochmal anders: Ich bin auch der Meinung, dass erstmal jeder Mensch für sich selbst verantwortlich ist. Wenn er sich lächerlich machen will und als Kuh verkleidet über die Reeperbahn läuft (gerade gesehen), ist das seine Sache.
Ebenso bei DSDS, Dschungelcamp und ähnlichen Formaten: Solange die Menschen vorher wissen, worauf sie sich einlassen und aus freiem Willen zustimmen, wird erstmal niemand diskriminiert. Ob das nun geschmackvoll ist, ob man sich so etwas ansehen sollte, wie da die Würde eines einzelnen Menschen missachtet wird, ist für mich ein ganz anderer Schuh.
Was hier in der Diskothek abläuft, hat aber aus meiner Sicht eine völlig andere Qualität: Nachdem über Jahre und Jahrzehnte viele betroffene Menschen dafür gekämpft haben, wegen ihrer Behinderung nicht ausgegrenzt zu werden, lässt sich nun ein Betroffener für das Ausgrenzen bezahlen.
Das fängt damit an, dass er sich öffentlich Liliputaner nennen lässt: Liliputaner sind etwa 15 Zentimeter große fiktive Wesen, die nach einem Roman von Jonathan Swift (17. Jahrhundert) eine Insel vor der australischen Südküste bewohnen und den ganzen Tag nichts anderes machen, als sich mit ihren Inselnachbarn darüber zu streiten, ob ein Ei oben oder unten aufgeschlagen werden muss.
Und es hört (nicht) damit auf, dass er sich jagen, fangen und einsperren lässt, damit andere dafür einen Fernseher gewinnen. Er lässt sich damit öffentlich zum Depp machen und lässt das direkt mit seiner Behinderung in Verbindung bringen, erklärt sogar noch, das sei okay.
Hier, so finde ich, können die anderen Menschen, die dafür kämpfen, dass Menschen mit Behinderungen nicht ausgegrenzt werden und nicht wegen ihrer Einschränkungen diskriminiert werden, schon verlangen, dass er so etwas sein lässt. Wohin Diskriminierung führt, muss glaube ich nicht erklärt werden. Wann und wo behinderte Menschen und Minderheiten gehetzt und eingesperrt wurden, muss glaube ich auch nicht erklärt werden.
Ich sehe das auch nicht als Firlefanz: Ich bin fest überzeugt, dass die Mehrzahl derer, die sich einen Blog einer Rollstuhlfahrerin durchlesen, das gedanklich sauber abgrenzen. Nämlich dass sich hier ein Einzelner zum Gespött macht und eine Marktlücke für sich entdeckt hat. Dass der nächste kleinwüchsige Mensch aber weder Liliputaner genannt noch sonderbar behandelt oder gar verspottet werden möchte.
Ich bin aber überzeugt: Etliche derer, die in der Disko zum ersten Mal einen kleinwüchsigen Menschen sehen, lernen von ihm nichts Gutes fürs Leben. Und viele reflektieren das eben auch nicht. Somit reißt er mit dem Arsch um, was viele über Jahre mühsam eingepflanzt haben. Und hunderte bis tausende Leute machen mit, ohne darüber nachzudenken. Und demnächst wird das Konzept kopiert und bundesweit haben Leute Spaß daran, "Behinderte" zu hetzen…
Ich meine mit Firlefanz nicht die Liliputanergeschichte, die ist echt fies.
Sondern den shitstorm, den Jule für"Spasti" ausgelöst hat. Das finde ich nach wie vor lächerlich.
@Jule:
Ich denke wir verstehen uns da schon richtig, ich fasse das nur etwas weiter als Du.
Du hast natürlich völlig recht, wenn Du sagst, dass es der Gruppe der Behinderten insgesamt nicht hilft, wenn sich jemand, der eine Behinderung hat, in einer Disko gegen Geld jagen und einsperren lässt. Das ist aber nur eine Seite der Medallie.
In der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte heißt es:
"Da die Anerkennung der angeborenen Würde und der gleichen und unveräußerlichen Rechte aller Mitglieder der Gemeinschaft der Menschen die Grundlage von Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt bildet, […] verkündet die Generalversammlung […]"
Die Betonung liegt in diesem Zusammenhang auf "unveräußerlich". Das bedeutet, dass selbst wer will, diese Rechte nicht aufgeben, oder eben verkaufen kann. Diese Formulierung wurde absichtlich gewählt, um solche Begründungen wie "man muss ja die Familie durchbringen", wie Xin sie in seinem Kommentar äußert, von vorn herein auszuschließen. Wer die wirtschaftliche Not eines Menschen ausnutzt, um ihm seine Würde abzukaufen, handelt damit gegen die Menschenrechte.
Dabei ist es IMHO egal ob es sich um einen Menschen mit Behinderung handelt, oder um einen talentlosen Möchtegernsuperstar bei DSDS.
Mit dem Argument, dass Du benutzt (nochmal: es ist ein völlig valides Argument), kann man auch gegen DSDS argumentieren: Wenn der arbeitslose Hartz IV Empfänger bei DSDS, oder bei "Familien im Brennpunkt" als arbeitsscheuer Volltrottel dargestellt wird, hat das eine Auswirkung auf die Wahrnehmung von Hartz IV Empfängern in der Gesellschaft. Das Problem ist also auch hier vorhanden.
Nochmal zu dem was Xin gesagt hat: Der Vergleich mit Tom Gerhardt hinkt gewaltig. Tom Gerhardt macht sich nämlich in seinen Shows nicht selber zum Affen: Er spielt eine Rolle. Es gibt eine klare Abgrenzung zwischen der Person Tom Gerhardt, und der Figur, die er auf der Bühne darstellt. Und das weiß auch jeder, der sich nur 5 Minuten mit Tom Gerhardt befasst.
Beim Schreckgespenst in der Geisterbahn ist das genauso. Letzteres ist entsprechend nicht mehr akzeptabel, wenn zum Beispiel ein Mensch, der durch einen Unfall entstellt ist, in der Geisterbahn Leute mit seinem Aussehen erschreckt.
Bei der Disko-Sache sieht das genauso aus: Hier besteht die Unterscheidung zwischen demjenigen der eine Rolle spielt, und der Rolle eben gerade nicht. Der kleinwüchsige Mensch wird hier selbst zur Witzfigur gemacht -und zwar aufgrund seiner Behinderung.
"Und es hört (nicht) damit auf, dass er sich jagen, fangen und einsperren lässt, damit andere dafür einen Fernseher gewinnen. Er lässt sich damit öffentlich zum Depp machen und lässt das direkt mit seiner Behinderung in Verbindung bringen, erklärt sogar noch, das sei okay."
Du hast immernoch nicht gesagt, warum das nicht okay sein soll. Nicht nur, dass Du hier unpassend die Nazi Keule schwingst, denn schließlich war das moralisch fragwürdige Problem dort, dass Behinderte gegen ihren Willen gefangen und getötet wurden. Hier wird ein Liliputaner – und wähle das Wort jetzt absichtlich – aus freien Stücken gefangen. Das haben wir als Kinder auch gemacht, da waren wir auch alle Kleinwüchsig. Und er macht das freiwillig – ganz großer Unterscheid zum 3. Reich, mal abgesehen davon, dass man für den Fernseher den Liliputaner auch nicht töten muss. Das ist ein Spaß auf moralisch fraglichem Niveau, aber das gilt für Pornodarsteller auch. Für mich wäre das nix, aber wer gibt mir das Recht es anderen aufgrund meiner Wert-Vorstellungen zu verbieten?
Der Mann soll aufgrund seiner Behinderung diesen Job nicht ausüben und lieber mit Hartz IV zu Hause sitzen, als gegen Deine moralischen Wertvorstellungen zu verstoßen? Wie behindert ist das denn?
Du mutmaßt hier, dass der Typ einfach gestrickt wäre. Vielleicht denkt der sich auch nur "Ich hab den geilsten Job der Welt, ich spiele hier im Kindergarten und die Deppen bezahlen mich auch noch dafür."
Der Typ ist kleinwüchsig, aber ich habe Deinen Blog gelesen und zum Behinderten macht Dich die Gesellschaft, schon vergessen? Leute, die unbedacht helfen wollen, sich einmischen, obwohl Du keine Hilfe willst.
Der Typ hat das Recht zu tun und zu lassen, was er will und wenn Du das für behindertenunwürdig hältst, dann ist das Deine – entschuldige – geistige Beschränktheit nicht seine. Es besteht die Möglichkeit, dass der Typ seine Behinderung überwunden hat und das verdient Respekt und keine Moralpredigt oder Mutmaßung, ob der Typ einfach gestrickt wäre, weil er über die Sache anders denkt.
Liliputaner? Ich habe keine Ahnung, was Liliputaner sind, kleine Menschen. Jeder nennt Kleinwüchsige Liliputaner, deswegen denke ich, dass man Kleinwüchsige Liliputaner nennt. Ich habe auch noch nie jemanden abfällig über Liliputaner sprechen hören, oder gehört, dass sie so genannt werden, weil man Abwertung ausdrücken möchte.
Ich nenne Kinder "Kurzer" oder "Kleiner". Die sind ja schließlich auch kleiner. Im Gegenzug bin ich dann "Großer" oder "Langer".
Einen Iraker nenne ich "Kameltreiber". Den Namen hat sich übrigens der Iraker ausgesucht. Die Amerikaner nennen mich 'Kraut', die Neger (ohoh…) nennen mich Weißbrot und ich habe ein schönes Foto, wo ich mit einem Engländer anstoße, der mich den Abend sehr freundlich mit "Nazi" angesprochen hat. Wir hatten anschließend eine sehr lebhafte Diskussion über Handtücher auf Strandliegen. Wir hatten viel Spaß dabei Vorurteile zu pflegen.
Und das ist okay – denn ich verfolge keine Behinderten, um sie zu vergasen. Und keiner von uns hat das in Frage gestellt. Ich kann mich von einem Engländer Nazi nennen lassen, ohne dass meine persönliche Würde in Frage gestellt wird.
Nicht alles ist eine Beleidigung, nicht alles ist Diskriminierung und nicht jeder, der sich politisch korrekt ausdrückt, tut das ohne Beleidigung.
Ich habe noch NIE bei Liliputaner an einen Roman von Jonathan Swift gedacht und ich wette, dass 95% der Leute, die Kleinwüchsige so nennen, einfach nur ein freundliches Wort für "Halbe Portion" suchen. Ganz ohne bösen Hintergedanken. Ich würde ganz dreist "Halbe Portion" sagen, da wissen wir beide direkt, wo wir dran sind. Und bisher hatte ich noch keinen Behinderten, Ausländer oder Suizidgefährdeten, der sich beschwert hat (die Suizidkandidaten leben noch ^^). Bisher hatten wir alle viel Spaß.
Also bleibt mal locker, wenn ein Liliputaner in der Disko als Animateur arbeitet.
Das ist okay!
@Xin:
Niemand hat etwas dagegen, dass ein kleinwüchsiger Mensch in einer Disko als Animateur arbeitet. Es geht darum was dort als "lustig" präsentiert wird.
Du schreibst selbst "zum Behinderten macht dich die Gesellschaft, schon vergessen?". Genau darum geht es hier. Mag sein, dass der Typ das nicht so schlimm findet, vielleicht tut er es auch aus finanzieller Not, ich kenne den Mann nicht, und weiß es nicht. Aber das Bild, dass er den Diskobesuchern damit vermittelt, ist genau das Bild gegen das Menschen mit Behinderungen seit Jahrzehnten kämpfen. Das sollte eigentlich auch dem Typ klar sein.
"Liliputaner" sind die ca. 6 Zoll (15 cm) großen fiktiven Bewohner der ebenso fiktiven Insel "Liliput" aus Johnathan Swifts Roman "Gulliver's Reisen". Die Liliputaner sind gedacht als eine beißende Satire auf die zu Swifts Zeiten herrschenden Gesellschaftverhältnisse. Als Abbild der feudalistischen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts sind die Liliputaner als missgünstig, dumm und streitsüchtig beschrieben. Mit denen will man nicht verglichen werden.
Bevor Du Leute mit irgendwelchen Bezeichnungen versiehst, solltest Du vielleicht einfach mal zuhören, was diejenigen zu sagen haben, und die von ihnen gewählte Eigenbezeichnung wählen. Ich bin zwar noch nicht so vielen Kleinwüchsigen begegnet, aber keiner von denen die ich getroffen habe, hat von sich gesagt, er oder sie sei "Liliputaner".
Es ist ja schön, dass Du Dich im Spaß von einem Engländer als "Nazi" bezeichnen lässt, ohne daran Anstoß zu nehmen. Das bestimmt auch bei Dir davon ab, wer das sagt, und unter welchen Umständen. Der Punkt ist, dass es der Angesprochene sein sollte, der die Definitionshohheit darüber hat, wie er bezeichnet wird. Alles andere ist Chauvinismus.
So, die Argumente sind ausgetauscht. Es gibt unterschiedliche Sichtweisen zu diesem Thema.
Leider sind einige meiner Leserinnen und Leser nicht in der Lage, fair und ohne persönliche Beleidigungen zu diskutieren (vielleicht war einfach auch nur etwas zu viel Trollfutter im Mittagessen) – daher veröffentliche ich einige Kommentare nicht und erkläre die Diskussion an dieser Stelle für beendet.
Schade, aber leider nötig.