Während draußen schon die ersten Windböen toben und Hamburg sich auf eine sehr schwere Sturmflut vorbereitet, stellt der Schweizer Verein „Pro Infirmis“ mal wieder einen neuen Videoclip ins Netz. Mit bemerkenswerter Ruhe kommt er daher und löst, wenige Tage nach seiner Veröffentlichung, einen Klicksturm, eher einen Klick-Orkan aus. Wie schon beim letzten Mal, als ein Mensch sich in ein niedliches Bärenkostüm zwängt und in eine Fußgängerzone stellt. Er geht mit offenen Armen auf die Menschen zu und kurz darauf wollen ihn alle knuddeln und mit ihm fotografiert werden. Am Ende, als das ganze Spektakel vorüber ist, nimmt der Bär seinen Kopf ab und fragt: „Müssen wir uns verkleiden, um uns näher zu kommen?“ – Erst jetzt wird sichtbar, dass der Mensch in dem Kostüm eine Behinderung, in diesem Fall Trisomie 21, hat.
Im aktuellen Spot anlässlich des gestrigen internationalen Tags der Menschen mit Behinderungen wurden die Schaufensterpuppen in teuren Modegeschäften in der Züricher Bahnhofstraße ausgetauscht. Die perfekt aussehenden Puppen wurden durch Abbilder von fünf berühmten Menschen mit Behinderungen, denen Gliedmaße fehlen, die kleinwüchsig sind oder deren Körperproportionen besonders sind, ersetzt, professionell gestylt und bekleidet und dann einen Tag lang im Schaufenster gezeigt. Was den Clip so sehenswert macht, sind gar nicht mal die Reaktionen der Menschen, die auch eher in den Hintergrund treten, sondern die Offenheit der mitwirkenden Menschen mit Behinderung gegenüber sich selbst, ihre Identifizierung, ihre Zustimmung zu ihrem Körper und dem professionell geschaffenen Abbild. Ganz besonders stark finde ich die Momente, in denen die Miss Handicap 2010, Jasmin Rechsteiner, ihre Puppe umarmt oder der Leichtathlet Urs Kolly der Puppe seine Prothese anzieht. Die Kampagne läuft unter dem Titel „Wer ist schon perfekt?“ und ist aus meiner Sicht absolut gelungen.
Das Video gibt es übrigens hier zu sehen:
12 Gedanken zu „Wer ist schon perfekt?“
Heul doch!
Hey Anonym Du bist echt armselig
Ich habe die Kampagne mitbekommen und finde sie ebenfalls richtig toll gemacht! Gerade Zürich hat so etwas nötig, hier wird sehr viel Wert auf das Aussehen, Mode und Makellosigkeit gelegt, was mich immer wieder stört.
Moin!
Die Aktion und das Video dazu finde ich richtig klasse. Schade eigentlich, dass die Abbilder nicht ein paar Tage länger im Schaufenster gestanden sind!
Viele Grüße vom
Kümmelspalter
Gute Idee, dieses Video…da kann man mal wieder über den extremen Körperkult, der in unserer Gesellschaft betrieben wird, nachdenken.
Viele Grüße und Frohe Weihnachten, Jule!
xoxo Sunny
Warum gibts sowas bei uns in Deutschland nicht?! Natürlich irritiert es im ersten Moment aber es hat doch auch etwas Schönes, finde ich.
Ich fand die "Modelle" sehr hübsch, auch wenn sie nicht der "Norm" (was auch immer das ist) entsprechen.
Mehr davon!
Gute Sache!
Hübscher Spot, aber muss ich mir weltfremd vorkommen, wenn ich niemanden dieser Menschen kannte/erkannt habe? Oder gilt
'berühmt' in diesem Fall nur, wenn man sich im Alltag mit Behinderung/-en auseinandersetzt?
@ Anonym 00:22
(ehrlich gesagt ich raff den Kommentar in diesem Kontext nicht mal, aber: )
Gleichfalls! :]
@ruolbu: Ich kenn mich bei den aktuellen Superstar- und Wiesiealleheißen-Wettbewerben auch überhaupt nicht aus und musste gerade kürzlich wieder feststellen, dass ich nicht uptodate bin. Die beiden in meinem Text namentlich erwähnten kenne ich aus den Medien, allerdings nur im Zusammenhang mit ihrer Behinderung – und nur, weil ich nicht weiterzappe, wenn am Anfang einer Sendung gesagt wird, dass da noch ein Rollstuhlfahrer kommt.
So bin ich auch neulich bei Bülent Ceylan hängen geblieben, weil dort ein Rollstuhlfahrer rumgurkte, obwohl ich ohne den Rollstuhlfahrer sofort einen anderen Sender gesucht hätte.
Hallo Jule!
Eine supertolle Idee und ein toller Spot der die Aktion vorstellt.
Ich wünschte sowas würde es bei uns auch mal geben, es würde zumindest den einen oder anderen zum nachdenken bewegen.
Danke dass du uns dieses Projekt vorgestellt hast!
LG aus Bayern
Zweipünktchen..
Diese ganze Mühe und Freude und dann nur einen Tag drin – das finde ich sehr schade.
Hallihallo Jule,
toller Blog! Für einen nichtbehinderten Menschen (wie mich) ist Deine offene Art, mit der Du alles thematisierst, anfangs vielleicht ein bisschen — ungewohnt. Aber das ist genau das Mittel, mit dem man Berührungsängste abbauen kann.
LG Lia
PS: By the way: Der junge Mann im Bärenkostüm hat keine Trisomie 21! Meine süße kleine Schwester (3) hat das Down Syndrom und das sieht definitiv ganz und gar anders aus ;o)