Oktoberfest

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Lange habe ich sie nicht gesehen, aber nun haben wir es gerade noch einmal geschafft. Emma und Paula wollten zusammen mit mir auf das Münchener Oktoberfest. Marie und ich, für die in der nächsten Woche die Winter-Vorlesungszeit beginnt, wollten unbedingt am Studienort noch die letzten Vorbereitungen treffen und haben zuvor erstmal unsere neuen Bahncards ausgenutzt, um einen Party-Abend in der Bayerischen Landeshauptstadt zu verbringen.

„Wollt ihr uns ärgern oder herausfordern?“, fragte uns der Zugbegleiter noch kurz vor München mit einem breiten Grinsen. Ich guckte ihn fragend an. Wir saßen auf den beiden Rolli-Sitzplätzen in Wagen 9 des ICE, also im Großraumwagen, direkt am Übergang zur 1. Klasse. Unsere Rollstühle standen uns gegenüber, wir hatten beide die Füße auf die Sitzfläche unserer Stühle gelegt und es uns bequem gemacht.

Ich dachte zuerst, die Frage bezog sich auf unsere lässige Sitzhaltung. Es wäre nicht das erste Mal, dass mich jemand anpflaumt, weil ich meine Schuhe auf dem Sitz habe. Auf meinem Sitz, wohlgemerkt. Und Schuhe, die noch keinen Zentimeter auf der Straße gelaufen sind. Unter der Sohle könnte also selbst nach 10 Jahren noch ein Preisschild kleben – sofern die Schuhe so lange halten. Allenfalls könnte man darüber diskutieren, ob man sich hier so hinlümmelt.

Der Zugbegleiter klappte sich den Klappsitz an der Wand gegenüber herunter, setzte sich hin und las unsere Karten ein. Marie fragte: „Was meinen Sie?“ – „Na das hier, Bahncard 100 und dann im Rollstuhl sitzen. Das sieht für mich so aus, als wolltet ihr der Bahn unbedingt zeigen, wie weit wir hinter dem Mond sind. Mal unter uns: Damit rechnet in der Chef-Etage doch niemand.“ – Marie antwortete: „Womit? Dass ich mit Rollstuhl öfter als zweimal pro Monat lange Strecken mit der Bahn fahre oder dass ich meine Fahrten unbürokratisch per Flatrate bezahle?“ – „Keine Ahnung, ihr seid jedenfalls die ersten Reisenden im Rollstuhl, die ich mit einer Netzkarte antreffe.“ – Aha. Das hätte ich jetzt nicht vermutet. Aber wer weiß schon, wie lange er für den Laden schon arbeitet. Ich lächelte freundlich. Bleibt nur zu hoffen, dass sich das jetzt nicht auf jeder Fahrt wiederholt…

In München wurden wir per Hebebühne aus dem Zug geholt. Emma und Paula warteten bereits auf dem Bahnsteig. Sie waren mit ihrem Zug rund 20 Minuten vor uns angekommen. Im Einheitslook begrüßten sie uns im bayerischem Dirndl und aufwändig frisiert. Obwohl ich eher nicht für Trachtenmode zu haben bin, muss ich zugeben, dass es alles andere als schlecht aussah. Allerdings erwartete zum Glück niemand, dass die Hamburgerinnen ebenfalls im Deerndl aufrollten. Wir gönnten uns für unser Gepäck ein gemeinsames Schließfach und machten uns auf den Weg. Das Wetter hätte besser nicht sein können, obwohl es bei untergehender Sonne bereits kühl wurde.

Mit dem Münchener Oktoberfest ist der Hamburger Dom nicht zu vergleichen. Ich bin keine Dom-Expertin, aber mehr als maximal drei Festzelte habe ich in Hamburg nie gesehen. In München sind es mindestens 15 riesige Zelte mit zum Teil bis zu 10.000 Sitzplätzen. Während man in Hamburg über den Dom geht, um Karussell zu fahren, wird in München eher Bier getrunken, Hähnchen und Würstchen gegessen und geschunkelt.

Einen Festzeltbesuch mussten wir uns natürlich auch antun, man will ja mitreden können. Es gab eine Rampe, jede Menge Rollstuhlplätze, es war rappelvoll, tierisch laut, eine Maß (ein Liter) Oktoberfest-Bier kostete wahnsinnige 10 Euro, es war die reine Massenabfertigung. Die Bestellung wurde quasi im Vorbeigehen aufgenommen, die Bierkrüge auf dem Rückweg im Vorbeigehen schwappend auf den Tisch gedonnert (die Anzahl stimmt, aufteilen könnt ihr alleine, warum habt ihr das Geld noch nicht passend in der Hand), eine Blaskapelle spielte „In München steht ein Hofbräuhaus“ und „Solang der alte Peter“ mehrmals im Wechsel, es wurde gegrölt und geschunkelt. Wir hatten noch nicht ganz aufgegessen, da wurde uns quasi schon der Teller weggezogen, die Frage, ob es noch ein Getränk sein dürfte, bekamen wir mindestens fünf Mal gestellt, obwohl unsere Eimer noch halb voll waren. Und auf Ex habe ich sie nicht runter bekommen … mir war auch so schon etwas blümerant.

Das dürfte neben der Lautstärke vor allem an der schlechten Luft im Zelt gelegen haben. Die fressende und saufende Meute wurde von einigen Ordnern streng bewacht, sobald welche zu lustig wurden und auf den Holzbänken oder gar -tischen tanzen wollten, wurde kurzer Prozess gemacht. Auch die, die es nicht mehr geschafft haben, zum Kotzen das Zelt zu verlassen, wurden aufgefordert, zu gehen. Ein relativ großes Problem war, dass die Plätze weg waren, sobald man aufstand, sodass einige, denen übel wurde, bis zum letzten Moment warteten und dann nicht schnell genug durch die Menge nach draußen kamen. Und, es ist nicht übertrieben, es wurde reihenweise unter die Tische gelullert. Während oberhalb der Holzplatte das Hähnchen eingeworfen wurde, öffnete der Nachbar unterhalb der Holzplatte mal eben den Abwasserhahn. Zum Glück saß uns kein solches Ferkel direkt gegenüber, sonst hätte man sich vermutlich noch darum sorgen müssen, dass die eigene Hose nicht noch was abkriegt. Den lauwarmen Rest aus dem Bierkrug gleich dazu auf die Erde geschüttet und anschließend noch ein neues kühles Blondes bestellt. Platz genug war ja wieder.

Um kurz vor elf waren wir bereits wieder am Bahnhof und bekamen auch gleich einen Zug. Emma und Paula begleiteten uns noch ein Stück. Ich war, ehrlich gesagt, froh, als wir endlich zu Hause ankamen und frisch geduscht in der Falle verschwinden konnten. Ich habe nichts gegen Party, aber so ein Massenbesäufnis mit der entsprechenden Anzahl torkelnder Leute um mich herum ist nichts für mich. Da lobe ich mir doch, wie gesagt, ohne Volksfest-Fan zu sein, den Hamburger Dom oder auch den Bremer Freimarkt.

Sendepause

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Nein, mir ist nichts passiert. Die Sorgen etlicher Leserinnen und Leser sind beinahe unbegründet. Der Rest des Wahnsinns ist ab sofort chronologisch nachlesbar … sorry. Ich danke für die Nachfragen, die Anteilnahme während meiner Sendepause. Dass ich rund einen Monat nichts mehr veröffentlicht habe, hatte auch noch weitere Gründe, über die ich im Einzelnen öffentlich nicht viel schreiben möchte.

Ich habe mein Tagebuch inzwischen offline weitergeschrieben. Heute endlich veröffentliche ich mal wieder was, hoffentlich zur Freude jener geduldigen Leserinnen und Leser, die gerne hierher klicken. Und auch sehr zu meiner Freude, denn mein Hobby macht mir noch immer sehr viel Spaß. Und den lasse ich mir auch nicht nehmen.

Scooter vs. Tram

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In Potsdam soll sich laut Zeitungsbericht aus letzter Woche ein Senior in einem Elektro-Scooter eines Vergehens schuldig gemacht haben. Elektro-Scooter sind jene drei- bis vierrädrigen Fahrzeuge für gehbehinderte Menschen, die mit 6 km/h führerschein- und kennzeichenfrei die überwiegend ältere Generation befördern, die selbständig in das Ding ein- und aussteigen kann und solche Gefährte oft gerne im Eingangsbereich von Supermärkten oder in engen Hausfluren abstellt.

Das Vergehen, das dem Rentner vorgeworfen wird: Verkehrsunfallflucht. Eine Straftat.

Das finde ich keineswegs witzig. Ich hasse Leute, die an fremden Autos Schaden anrichten und davon fahren. Wenn man schon den Umfang des eigenen Gefährts nicht richtig einschätzen kann und irgendwo entlang schrubbt, sollte man soviel Popo in der Hose haben, dass man für die Schadenregulierung aufkommt. Im Fall eines Elektro-Scooters kommt dafür in aller Regel die private Haftpflichtversicherung auf, so dass man nicht mal hochgestuft wird.

Wie das vermutlich bei der Kfz-Haftpflicht der Fall wäre. Also das mit dem Hochstufen. „Vermutlich“ deshalb, weil ich bisher den Umfang meiner Fahrzeuge immer richtig einschätzen konnte und damit keine Erfahrungen sammeln musste. Oder mir rechtzeitig jemanden anlache, der mal draußen guckt und winkt.

Witzig wird es aber dennoch, wenn man dann weiterliest und realisiert, was sich dort zugetragen haben soll. Der Senior sei mit seinem Scooter bei Rot über die Ampel gefahren und mit einer Straßenbahn, genauer gesagt mit einer der Linie 94 in Potsdam, zusammengekracht. Um sich das vor Augen zu halten: So ein Scooter wiegt mit Akkus schlappe 150 Kilogramm, die Tram bis zu 60 Tonnen. Man kann also von Glück sprechen, wenn der Senior so einen Crash überlebt. Das war wohl der Fall, denn der Senior sei aufgestanden, habe seinen Scooter zurechtgerückt, sei dann mit der Höchstgeschwindigkeit von 6 km/h, also schnelles Torkeln bis langsames Schlendern, davongebraust und wurde nicht mehr gesehen. Das Tatfahrzeug wurde später verlassen aufgefunden.

Vermutlich wird an der Straßenbahn irgendwas kaputt gegangen sein. Eine Plastikabdeckung, was auch immer. Natürlich muss der Unfallverursacher, und das ist nunmal der Rentner, wenn er bei Rot fährt, für den Schaden aufkommen. Aber ich frage mich, wieso da niemand hinterher läuft und den Zündschlüssel abzieht. Oder einfach nur verdeckt dran bleibt, sich unterwegs noch unauffällig irgendwo einen Kaffee to go rausholt und über die 110 laufend eine Lagemeldung an die Einsatzleitstelle übermittelt. Oder vielleicht als Staat den Scooter einsackt, meistbietend versteigert und davon den Schaden an der Tram bezahlt.

Oder so. Oder so ähnlich. Herrlich.

Richtfest

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Pünktlich, um nicht zu sagen „überpünktlich“ wurde heute Richtfest gefeiert. Bis zum 30.09.14 sollten Rohbau und Dachkonstruktion fertig sein, die Baufirma hat es aber rund 14 Tage früher geschafft. Wir sind bisher sehr zufrieden, von zwei, drei kleineren Pannen, die aber alle behoben werden konnten, abgesehen, hat es keine Probleme gegeben. Pünktlich vor dem ersten Frost können jetzt noch das Dach gedeckt, Fenster und Außentüren eingesetzt werden, so dass es mit dem Innenausbau planmäßig weitergehen kann. In vier Monaten soll das Haus bezugsfertig sein.

Maries Eltern haben sich um Tische, Bänke und einen riesigen Grill gekümmert. Ein Freund von ihnen hat solche Ausrüstung und auch gleich den passenden Anhänger dazu – und hat sich auch noch bereit erklärt, die Grillzange zu schwingen. Alle beteiligten Firmen eingeladen, sämtliche Nachbarn eingeladen, das Wetter war astrein, besser konnte die Party nicht werden. Die Zimmerleute hatten angeboten, Fleisch, Würstchen, Brot und Salate einzukaufen. Wenn sie das schon anbieten, sage ich natürlich nicht Nein. Die Rechnung für Essen, Trinken und Sprit lag knapp über 600 Euro, das hatte ich mir für die geplanten 70 Leute deutlich heftiger vorgestellt.

Der Nachbar, dem früher das Grundstück gehörte, bekam einen Ehrenplatz an der Tafel, das Ehepaar, das etwas weiter in der Straße wohnt und uns den Bauplatz vermittelt hatte, zwei weitere. Ich musste mich ein wenig wundern, wie viel Hochprozentiges die alten Leute trinken konnten. Aber es sollte ja Spaß machen.

Der größte Spaß war, als ein Zimmermann meinte, er müsste mich huckepack nehmen und mit mir auf das (noch ungedeckte) Dach klettern. Den letzten Nagel hätte er vergessen, den wollten wir zusammen einschlagen, anschließend wollte er mit mir dort oben anstoßen. Ich bin ja sonst für solche Spielchen überhaupt nicht zu haben, aber Andreas, so hieß er, sah aus, als würde er zu Hause die Waschmaschine eigenhändig in den dritten Stock tragen. „Komm her, Fliegengewicht“, sagte er zu mir, setzte mich auf seine Schultern und ging mit mir durch das halb fertige Treppenhaus nach oben. „Stoß dir nicht die Rübe“, meinte er. Er turnte aufrecht stehend über die Dachkonstruktion nach oben, hielt mich mit einem Arm an meinem Hosenbund fest. Mir rutschte das Herz in die Hose. Aber eine schöne Aussicht gab es hier oben. „Keine Angst, kleine Maus, die Balken, die ich hier zuletzt hochgetragen habe, wogen ein klein wenig mehr als du.“

Er setzte mich auf einen Dachbalken, ich hielt mich fast krampfhaft an ihm fest. Er zog einen Hammer aus seinem Hosenbund. „Hier ist ein Hammer, hier ist der Nagel, der muss da rein.“ – Er hielt mich an den Schultern fest, ich hämmerte diesen Nagel in den Balken. Die Menge unten klatschte. Dann holte Andreas zwei Schnapsgläser aus der Hosentasche, einen Flachmann aus der anderen. „So. Und nun anstoßen.“

Er füllte die Gläser, prostete mir zu, ich kippte das Zeug runter. Und das, obwohl ich sonst nie Schnaps trinke. Es brannte in der Kehle und im Magen. „So, und jetzt feuerst du das Glas mit ganz viel Kraft da vorne vor dem Haus auf die Erde und hoffst, dass es kaputt geht. Das bringt dann nämlich Glück.“ – Soso. Ich feuerte und das Glas zersprang in tausend Scherben. Die Menge klatschte und gröhlte. Andreas nahm mich wieder huckepack und turnte mit mir vom Dach als würde er gerade einen Spaziergang machen. Ich war froh, als ich wieder unten war und in meinem Stuhl saß.

Es war ein lustiger Nachmittag. Alle sind satt geworden, niemand ist in irgendeine Schachtgrube gefallen oder von halb fertigen Treppen gestürzt und die Nachbarn finden uns nett. Die bisher beteiligten Bauleute haben alle von uns noch einen Umschlag bekommen, somit sind eigentlich alle gut bezahlt worden und ich hoffe, alle haben ihre Arbeit gut gemacht. Bisher sieht es wirklich so aus. Bleibt zu hoffen, dass es so erfreulich weitergeht.