Auf den Keks

Darf ich mal meckern? Also mal kollektiv? Freunde und Bekannte sagen ja immer, ich sei eine gute Autofahrerin. Sehr ruhig, besonnen, verausschauend. Üblicherweise rege ich mich nicht über andere Verkehrsteilnehmer auf. Es geht damit in der Regel dann sowieso nicht schneller und sich nicht aufzuregen, schont die Nerven. „Du hättest auch Fahrlehrerin werden können“, meinte mal eine Bekannte zu mir, der ich vor einiger Zeit in den ersten Stunden nach Bestehen der Fahrprüfung damit geholfen habe, dass ich bei ihr im Auto mitgefahren bin und sie begleitet habe, bis sie sich auch in der Großstadt sicher genug fühlte. Begleitet, soweit ich Zeit und denselben Weg hatte.

Mich regen Fahrschüler vor mir selbst dann nicht auf, wenn ich es eigentlich eilig habe. Mich nerven auch keine Leute, die offensichtlich gerade erst ihren Führerschein haben und noch unsicher sind. Oder alte Menschen, die eher vorsichtig sind und vielleicht nicht sofort alles überblickt haben. Oder wenn ein Rettungswagen mitten in der Einbahnstraße steht und nichts mehr geht. Oder der Müllwagen im Schneckentempo durch die Straße fährt und vor jedem Haus stehen bleibt. Alles kein Problem.

Aber diese hier:

1. Die Chaoten. Hämmern mit viel zu hoher Geschwindigkeit durch die verkehrsberuhigte Zone oder fahren 130 dort, wo 70 erlaubt sind. Kennen jeden stationären Blitzer und haben möglichst noch irgendwelche Warngeräte installiert. Bremsen dann übertrieben auf 35 runter, obwohl 70 erlaubt sind. Liefern sich anschließend Wettrennen oder fordern mich an der Ampel zu selbigem heraus. Bringen mich um meine Nachtruhe, wenn sie um halb eins in der Nacht nochmal Vollgas geben und ihre unzulässig veränderte Auspuff-Anlage vor meinem Schlafzimmerfenster röhren lassen müssen. Müssen am Stau über den Standstreifen, eine riesige Staubwolke hinter sich her ziehend, vorbeikacheln. Möglichst jeden Morgen. Bestehen dann am Ende des Standstreifens auf das Reißverschluss-Prinzip, lassen aber andersherum niemanden einfädeln. Fahren völlig zugedröhnt mit lauter Musik bei Dunkelrot noch über die Ampel. Parken überall, vorzugsweise auf Behindertenparkplätzen, meistens mit Warnblinklicht, damit jeder weiß, dass sie wissen, dass es eigentlich verboten ist.

2. Die Abgelenkten. Machen alles außer Autofahren. Telefonieren während der Fahrt, eiern dabei durch alle Fahrstreifen. Bleiben bei grün an der Ampel stehen, um dann bei dunkelgelb loszufahren. Schaffen es nicht, auf 50 zu beschleunigen, sondern fahren 40 und bekommen nicht mit, dass sie deshalb an jeder Kreuzung die grüne Welle verpassen. Winken bei grüner Ampel erstmal von links und rechts Leute rein, anstatt sowas zu machen, wenn die Ampel rot ist und eh alle warten müssen. Fahren beim Abbigen nicht bis zur Kreuzungsmitte vor, sondern bleiben mit den Hinterrädern auf der Haltelinie kleben. Vor allem bei Ampeln, die nur kurz grün zeigen. Bremsen bei grünen Abbiege-Ampeln nochmal ab, weil sie sich gerade nicht sicher sind, ob der Gegenverkehr vielleicht auch grün haben könnte. Fahren im dicksten Nebel ohne Licht, weil sie ja einen Helligkeitssensor haben. Beschleunigen, wenn sie überholt werden. Wenn man sich dann wieder hinter ihnen einordnet, werden sie wieder so langsam, dass man erneut zum Überholen ansetzt. Bleiben bei Stau mitten in der Kreuzung stehen und blockieren so auch noch den Querverkehr.

Die gehen mir auf den Keks. Ernsthaft.

13 Gedanken zu „Auf den Keks

  1. Ohhhh, ja. Da kann ich mitfühlen. Auch wenn ich mir grundsätzlich deutlich mehr aufrege als du.

    Grade letztens wieder: Autobahn, ich fahre nachts von einem Konzert zurück (Autobahn ist entsprechend leer). fahre meine gemütlichen 120-130. Auf der rechten Spur ein Auto, das mit geschätzten 90-100 rumschneckt. Kein Problem, überholen leicht. AAAABER: Kaum bin ich neben ihm, da wird beschleunigt. Musste dann bis auf 150 hochgehen, um dran vorbeizukommen. Kurz drauf wurde ich von diesem wieder überholt und er zog von dannen…

    Andere Situation, Autobahn, am Tag, wenig Verkehr, dreispurig. Auf der rechten Spur ein Auto, ich will auf der Mittelspur überholen. Da zieht die Tante einfach rüber. Ohne, dass es auf der rechten Spur irgendeinen Grund dafür gäbe (Gegenstand auf Fahrbahn, langsameres Fahrzeug, Tiere). Und v.a. ohne zu gucken und ich durfte voll in die Eisen steigen.

    Das fällt mir in letzter Zeit sowieso immer mehr auf. Viele Leute fahren stur ihren Weg. Die gucken nicht rechts und nicht links was da so vor sich geht. Da wird einem die Vorfahrt mit einer Selbstverständlichkeit genommen, dass es mich echt fassungslos macht. Und die gucken noch nicht mal, ob jemand kommt. Würde ich nicht auch immer umsichtig und vorausschauend fahren, hätte es schon manches Mal gekracht…

    Es geht mir auch auf den Keks.

  2. Für die Bummler (40 statt 50…) gibt es eine einfache Erklärung!

    Jeder PKW-Tacho zeigt mehr an, als das gefahren wird.
    Weniger darf er nämlich nicht anzeigen.

    0%-10% mehr anzuzeigen ist also Pflicht!

    Wenn der vorausfahrende nun 10% und du selbst nur 1% hast, sieht das schon nach trödeln aus.

    Psst: LKWs fahren mit einem geeichten Tacho

  3. Hmmmm mit Kind dass sich versucht aus dem Kindersitz zu befreien oder wütend ist weil das Spielzeug am Boden liegt zähle ich mitunter zur zweiten Kategorie…

  4. Hallo Jule,
    au ja, da kann ich auch noch ein paar beisteuern, und zwar sowohl als Radfahrer als auch als Autofahrer. Hier eine weiterführung Deiner Liste:
    3. Die Dreisten: Autofahrer, die direkt vor einem abbiegen bzw. einscheren müssen. Rad- oder Autofahrer oder Fußgänger die bei Rot mit voller Absicht drüberfahren/-gehen. Und nicht nur weil die Ampelschaltung beknackt ist, nein, weil die meinen, dass sie jetzt gehen können.
    4. Die Gefährder: Radfahrer ohne LIcht, am besten noch auf der falschen Seite, dunkel gekleidet ohne Reflektoren o.ä.. Autofahrer, die durch die Spielstrasse mit 30 oder 50 (!) heizen müssen (z.T. sind das sogar Anwohner), Halbblinde Autofahrer oder welche mit verstelltem Licht, Leute die bei Frost nur nen kleines Loch in die Frontscheibe kratzen
    Und nicht zu vergessen, die Rad- oder Autofahrer, die vom Händi abgelenkt nix mehr mitkriegen.

    Danke für Deinen Blog! Ymmd!

  5. @ Martha: full ack!
    Blinken kommt auch immer mehr aus der Mode, leider 🙁

    Bei den Abgelenkten fehlen auf jeden Fall noch diese Experten hier:
    Bleiben an der Ampel 3 Meter vor der Haltelinie stehen … leider damit auch 2 Meter vor dem Anforderungskontakt. Und wundern sich dann, warum es nicht grün wird …

  6. Ich recht viel unterwegs….immer frei nach dem Motto "nicht aufregen nur wundern" und damit den Stesslevel niedrig halten. Was micht wundert sind:
    – Seit einiger Zeit scheint es extrem überbewertet, die geünschte Fahrrichtung, bzw. einen Spurwechsel durch blinken anzuzeigen….Schont das den Blinker, damit man länger mit Warnblinker in der zweiten Reihe oder auf Behindertenparkplätzen stehen kann?? Oder geht esden nachfolgenden Verkehr einfach nichts an, wo man hin möchte? Oder ist man durch was auch immer zu abgelenkt um "auch noch" zu blinken?

    – Menschen, vorzugsweise Senioren, welche bei schlechtem Wetter und damit leider auch nicht immer den besten Sichtverhältnissen, z.B. im Dunkeln bei Regen, in durchgehend dunkler Bekleidung ohne zu gucken die Straßenseite wechseln. Da sieht man dann eine Schemenhafte Bewegung im Augenwinkel und geht voll in die Eisen – wenn man Glück hat, läuft dem Senior nicht noch ein schwarzer kleiner Hund (selbstverständlich ohne Leuchthalsband) voraus.

    – Radfahrer (meinst leider Schüler) die morgens im Dunkeln ohne Licht und entgegen der erlaubten Fahrtrichtung, also auf der falschen Seite des Radweges unterwegs, oder ohne jegliches Anzeigen ihres Vorhabens quer über die Fahrbahn wechseln.

    Ich bin in einer nordwestdeutschen mittelgroßen Stadt unterwegs, fahre aus familiären Gründen auch oft in Hamburg….ich wundere mich wirklich, dass nicht viel viel mehr passiert.

  7. Das mit dem Tacho stimmt – allerdings sind müsste er 55 bei 50 km/h anzeigen, somit würde ich dann 45 fahren. Wenn mein Tacho dann allerdings weniger Prozente Vorlauf hat, zeigt er etwas mehr als 45 km/h an – nicht jedoch 40 km/h! Solche Leute sind definitiv zu langsam, meist kommen sie sogar noch bei Grün rüber. Sind dann allerdings eines der 2 Fahrzeuge, die dann bei Grün nur passieren …

    Ich könnte deine Liste noch mit diversen unfreundlichen Vorgehensweisen von Verkehrsteilnehmern fortführen. Es bringt jedoch nix, wie du selbst schreibst, denn es hilft nicht. Ich weiß nicht, wie man rücksichtslose Fahrer zur Freundlichkeit erzieht – es wäre einfach schön, wenn sie einsehen würden. Aber das wird wohl eher Traum bleiben …

  8. Ja. Einfach nur ja.
    Mein Schlafzimmer liegt in einer 50er Zone, die eigentlich eine 30er Zone sein sollte, zwischen einer ziemlich engen S-Kurve (durch die die Stadtbusse nur im Schrittempo kommen) und einem Zebrastreifen (an der Stadtbushaltestelle) – es grenzt an ein Wunder, wie viele Autofahrer auf den gefühlten 100m dazwischen gefühlt auf 70 hochheizen können.

    Ich hab gestern das erste Mal nach Ewigkeiten wieder an "dich" gedacht. Erstmal nur irgendwie wirr a la "da war doch mal der Blog mit der Medizinstudentin im Rollstuhl", heute Morgen beim Zähneputzen fiel mir dann Marie ein, auf dem Rad kam mir der "Stinkesocke" Geistesblitz. Schön, dass du wieder da bist.

  9. Beim Thema Fahrstil von Autofahrern, dürften sich wohl viele angesprochen fühlen. Und da ist "auf den Keks gehen" nur eine milde Form der Kritik, die in letzter Konsequenz Tag für Tag Leid in die Krankenhäuser spült. Oder schlimmeres. Was kann man ändern? Sind die neuen Chips in den Autos, die den Versicherungen den Fahrstil mitteilen, eine Hilfe oder doch eher eine Datenschutzkatastrophe? Müssen wir alle eine Beschwerde-Rufnummer ("Fahrstil OK? Wählen Sie xxx-yyy") an unsere Autos kleben? Oder ist der so eben rechtlich abgeschaffte Kennzeichenpranger im Internet das richtige System? Sollten die Anzahl von PS pro KFZ begrenzt werden? Tempo 120 auf Autobahnen eingeführt werden? Oder Tempo 30 in Städten? Müssen Dashcams aus ihrem rechtlichen Graubereich geholt und damit erlaubt werden? Oder müssen die Dobli-Spiegel bei LKW Pflicht werden, damit die Radfahrer nicht immer wieder beim Rechtsabbiegen der LKW getötet werden? Ich weiß es nicht. Nur so wie es ist, ist es sehr unbefriedigend – und grausam.

  10. Ja Autobahn, wobei das schärfste fand ich:
    1. kaffee klatsch auf der Autobahn auf dem Standstreifen nicht abgesichert. fließender Verkehr 1km zum Parkplatz
    2. Trankleer weil man dachte die nächste Tankstelle ist billiger (Entfernung ca. 20km)
    3. Kommt mit deutlich größer 200km/h angebraust überhollt und zieht nach rechts vormir und bremst mich aus bis auf 50km/h aus.
    4. Ich überholle einen Wohnwagen von hinten drückt aus dem nichts ein BMW mit Licht Konzert und will vorbei. (Keine Sondersignal) ich bin schon vorbei gehe zurück auf die rechte Spur aufeinmal wirds links eng. Der Knallkopf hat echt probiert mich abzudrängen. Ich hatte leider schon meinen neues Auto.

    Mein Fazit ist auf der Autobahn findet man die lustigsten Sachen. Und das Warndreieck ist irgendwie immer versteckt. (Ich bleibe deshalb stehen.)

    Auf dem flachen Franken fahren wir bei Gott nicht nach dem Gesetz. Aber hier wird schon mal geguckt. Kommen die Landwirte (also auch ich) durch. Die jung Bauern fahren auf den Feldwegen zw. den Feldern noch sobald sie quasi sicher im Straßenverkehr mit dem Fahrrad unterwegs.

    Man guckt halt auf den anderen. Man bleibt auch mal in einem Feldweg stehen damit die Autos überholen können Fahrradfahrer kriegen in der Regel mindestens den gleichen platz wie einem (zurseite fahrenden) Auto.

    Mit freundlichen Gruß

    Myasuro

  11. Wo, wenn nicht hier dürftest Du meckern?
    Zudem, wo Du den ganzen Tag sonst gezwungen bist die Vollpfosten mit professioneller Höflichkeit zu behandeln. Aber warte nur, Wenn ich den erwische, der immer die Käfigtür offenstehen lässt, dass die auch noch an die Öffentlichkeit kommen, dann gibt es ein Donnerwetter.

  12. Also ich kann Deine Ärgernisse nachvollziehen – vor allem die Kategorie I nervt mich auch extrem (sind allerdings meiner subjektiven Erfahrung nach vor allem Männer zwischen 20 und 40 südländischer Herkunft und verdachtsweis ausgesprochen kleinem Gemächt)

    Das schnellerwerden bei gerade zu überholenden Autos nervt mich auch (etwas) wobei ich dafür noch (etwas) Verständnis aufbringen kann, da ich denke, die kriegen das meist gar nicht mit, dass sie jetzt schneller werden.

  13. Häh?

    Ich bin gerade etwas verwirrt. Ich hab doch eben nur via Google ein Stichwort auf der Seite gesucht (für Leute, die es nicht wissen: "site:xxxxx.xx" schränkt die Suche auf eine bestimmte Webseite ein, vor allem die ohne Suchfunktion – gern geschehen!), und dann steht da in den Resultaten: "Jules Blog: November 2017".

    Die Socke schreibt wieder ?!?

    UND DAS SAGT MIR KEINER ?!?!?!?!?!?!?

    Da hatte ich Dich gerade vor ein paar Monaten abgeschrieben.
    Ich eskaliere gerade ein bisschen…

    Gut, zum Thema.
    Ich gehöre nun nicht zu einer der beiden Kategorien, eher zu der der Unfallverhinderer. Wobei ich zugeben muss, dass mir das mit der Beleuchtungsautomatik auch schon passiert ist. Sie steht halt auf Automatik, und dann merkt man das nicht unbedingt, dass man für andere im Blindflug unterwegs ist. Man guckt ja auch nicht ständig unten auf die "Lampe" unterm Drehzahlmesser. Mir ist das auch schon mal passiert, dass ich dann gemerkt und nachträglich Licht eingeschaltet habe. Und ganz davon freimachen, dass ich noch in der Kreuzung stehe, weil ich den vorausfahrenden Verkehr und den frei werdenden Raum hinter dem Kreuzungsbereich falsch eingeschätzt habe, kann ich mich auch nicht.

    Aber, liebe Socke, sowas passiert jedem mal. Den einen öfter, den anderen seltener, aber nicht immer kann man sowas ausschließen. Das muss auch nichts Generelles sein.

    @Martha
    So einen Fall wie mit dem Schleicher, der plötzlich durchzieht, kenne ich auch. Genauer: So ein Fall war ich auch vor ein paar Monaten. Hatte nur nix mit anderen Verkehrsteilnehmern zu tun. Ich war auf Kundschaft in der Fremde, seit halb sieben wach, seit neun unterwegs, und nachts um elf bekam ich nach rund zwölf Stunden Arbeit plus mehr als zwei Stunden Hinfahrt sowie einer Dreiviertelstunde Rückfahrt mächtig Hunger. Den von der Art, der meine Konzentrationsfähigkeit mindert. Nur wollte sich meine Stulle auf dem Beifahrersitz nicht so recht aus der Folie wickeln lassen, im Dunkeln, bei 140, ohne Hinsehen, weit ab vom nächsten Rastplatz (an dem ich wohl eh einem im Weg geparkten, schlafenden Truck in den Auflieger gedonnert wäre). Also: Rechte Spur, Tempomat auf LKW-Geschwindigkeit (aus Sicherheitsgründen), Augen auf die Straße, Stulle aufs Knie, ausgepellt, Folie weg, Stulle in die Klappe, Tempomat aus und wieder auf Reisegeschwindigkeit. Kurze Frage: So what? Solange ich damit niemanden gefährde…

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