Nicht so gut

Manchmal gibt es auch bei mir Wochen, in denen gar nichts Besonderes passiert. Oder passieren besondere Dinge, die ich inzwischen gar nicht mehr als ungewöhnlich wahrnehme? Ich weiß es nicht. Ich fühle mich gerade irgendwie insgesamt überfordert, ich möchte sogar behaupten: Es läuft gerade nicht so gut. Die letzte Woche war so beschissen, dass ich froh bin, dass sie endlich vorbei ist. Voller Hoffnung, dass die nächste Woche besser wird. Etwas zumindest.

Das Jugendamt hat sich kurzfristig überlegt, dass es doch schön wäre, wenn Helena sich an diesem Wochenende eine Jugend-Wohneinrichtung anschaut und dort im Rahmen eines Probe-Wohnens eine Nacht schläft. Dort sei ein Platz frei geworden, der gut zu Helena passen würde. 300 Kilometer weit weg, in einem ganz anderen Bundesland. Marie und ich haben morgen abend unseren nächsten Erziehungs-Pflichtkurs, von dem ich im Moment gar nicht weiß, ob er noch nötig ist. Eigentlich sollte Helena heute wieder zurück zu uns kommen, heute bekamen wir von der Einrichtung einen Anruf, dass sie erst morgen kommt. Angeblich gab es technische Schwierigkeiten bei der Beförderung, mit ihr sei alles okay. Mehr sagt man uns aber nicht. Und Helena hat sich seit gestern nicht mehr bei uns gemeldet. Ich hoffe, dass nur etwas mit dem Handy nicht stimmt. Ladekabel vergessen, Karte leer, Handy kaputt, … ich habe ein komisches Gefühl.

Am Montag hat mir jemand den Rückspiegel abgefahren. Und ist natürlich abgehauen. Zum Glück ist es nur der Rückspiegel und nicht noch die Tür oder die Scheibe, aber mal eben 250 € und einen Tag ohne Auto, da es ja keinen umgebauten Leihwagen gibt. Und das Auto ist ja auch gerade erst neu. Macht ja nix. Am Mittwoch hat mich einer eingeparkt, hat sich mit seinem Kleinstwagen mittig auf die Linie zwischen zwei Behindertenparkplätzen gestellt, so eng, dass er von meinem linken Nachbarn und von mir die Außenspiegel berührt hätte, wäre er noch einen halben Meter weiter vorgefahren. Es war nass, kalt, dunkel, ich fror, musste aufs Klo und habe zwei Stunden auf die Polizei und eine weitere halbe Stunde auf einen Abschlepper gewartet.

Am Donnerstag hab ich mich schon wieder mit meiner Oberärztin angelegt. Ja, die, die nicht lobt, sondern nur tadelt. Auf der Kinder-Intensivstation drehte ein Überwachungsgerät durch und gab ständig Alarme, obwohl nichts los war. Ich habe dann, als klar war, dass das Ding herumspackt, angeordnet, dass die Patientin mit ihrem Bett an einen anderen Platz kommt. Ständige Fehlalarme führen ja über kurz oder lang dazu, dass echte Alarme nicht mehr ernst genommen werden. Zusammen mit der zuständigen Schwester hat alles problemlos geklappt, anschließend keift mich meine Oberärztin an, dass das völlig unverhältnismäßig sei und ob ich überhaupt wüsste, was ein leeres Intensivbett koste. Ich habe mich dann hinreißen lassen zu dem Kommentar: „Auf jeden Fall weniger als wenn einer wegen eines defekten Geräts geschädigt wird oder sogar ganz den Löffel abgibt.“ – Ich weiß, ich hätte es mir sparen sollen.

Zwanzig Minuten später sollte ich zum Chefarzt, ich erwartete schon ein Donnerwetter, stattdessen kam sachliche Kritik: „Wenn Sie sich entscheiden, ein Intensivbett stillzulegen, weil da irgendwas mit der Technik nicht stimmt, dann überlassen Sie das doch bitte nicht den Kollegen, den Service anzurufen.“ – „Ich bin davon ausgegangen, dass das keine ärztliche Aufgabe ist und wollte nichts durcheinander bringen.“ – „Wenn Sie entscheiden, dass der Platz gesperrt wird, müssen Sie auch die Störung melden.“ – „Entschuldigung, das wusste ich nicht.“ – „Einfach mal die Dienstanweisungen lesen!“

Eine Stunde später kam ein junger Mann rein, war umgekippt, anschließend wieder aufgestanden und mit dem Fahrrad ins Krankenhaus gefahren. War gut drauf, lustig, locker, machte Späßchen und flirtete mit unserer Pflegeschülerin, die, wie er, noch nicht 18 ist. Sondern kurz davor. Ebenfalls wie er. Ich redete mit ihm, er versuchte, auch mit mir zu flirten und meinte albern, dass er hoffe, dass mein Stethoskop vorgewärmt sei, damit sich seine Nippel nicht aufstellten, wenn ich auf sein Herz horche. In dem Moment rauscht meine Oberärztin herein und keift herum, warum kein Erwachsener hier sei. Ich runzelte die Stirn. Daraufhin meinte sie: „Sie“, und deutete dabei auf die Schülerin, „zählt nicht. Sie ist unter 18. Das heißt, Sie sind derzeit alleine mit einem Minderjährigen in einem Raum. Sie wissen, das ist gegen die Vorschrift.“

Ich habe ihr dann später im Dienstzimmer zum gefühlten zehnten Mal gesagt, dass ich es nicht leiden kann, wenn Sie mich vor Dritten zurechtweist. Wenn sie Kritik hat, kann sie mich irgendwo zur Seite nehmen. Sie meinte, diese Diskretion stünde mir vielleicht in fünf Jahren mal zu. Wow. Ich sag ja, mit der habe ich meinen Spaß. Allerdings muss ich erwähnen, dass sie die einzige ist, mit der ich derzeit solche Probleme habe. Bei allen anderen Kolleginnen und Kollegen läuft es gut, wenn nicht sogar sehr angenehm.

Und sonst? Genau. Freitag. Seit Freitagabend ist bei uns zu Hause die Heizung defekt. Morgens ist die Hütte kühl, die Heizung zeigt „Störung“ an. Zwei Mal haben sie schon das gleiche Bauteil ausgetauscht, ich habe das Gefühl, da ist eine ganze Charge im Eimer, weil nun zum dritten Mal das gleiche Teil defekt ist. Allerdings wird es nun neu ab Werk bestellt. Was zur Folge hat, dass das Haus kalt bleibt. Seit Freitag. Morgen mittag soll alles beisammen sein. Per Express. Zum Glück gibt es warme Bettdecken. Gute Nacht!

12 Gedanken zu „Nicht so gut

  1. In Sachen Heizung:
    Lächle und sei froh…..

    Bei uns ist in diesem Sommer ZWEI mal im Heizungskeller die Warmwasserleitung undicht geworden.
    Beide Male nur ein noch nicht mal Stecknadel grosses Loch, aber beide Male stand die Heizung zentimeterhoch im Wasser, bis der Schaden bemerkt würde.

    Aber das die Heizung ausfällt, wenn das Wetter kälter wird ist normal.
    Die Steigerung davon ist dann nur noch Heiligabend viertel nach fünf!

  2. Respektvoller Umgang ist keine Frage des Dienstrangs, sondern des Anstands. Aber wenn du das der Oberärztin sagst, hat sie dich vermutlich noch mehr auf dem Kieker. Impliziert es doch, dass es ihr an Anstand fehlt.
    Helena wünsche ich, dass sie dort leben kann, wo sie sich zuhause fühlen kann.

  3. Das mit dem gesperrten Bett ist wirklich dumm gelaufen. Mir war aber irgendwie schon beim lesen des ersten Satzes dazu klar, worauf es hinaus lief.
    Kinder-ITS Betten sind ja nun derzeit eins der knappsten Güter in der deutschen Kliniklandschaft.
    Aber du hast recht, eigentlich ist das Pflegepersonal überall für Fehlermeldungen zuständig.

    Den Punkt mit dem Minderjährigen allein in einem Raum musst du mir aber noch mal erklären. Geht es generell um Minderjährige? Oder weil er ein anderes Geschlecht hat, als du? Musst du dir auch als Frau dann eine zweite Person dazu holen?
    Ich dachte, dass Problem hätten nur wir Männer?

    Offiziell habe ich dazu noch gar nichts gehört, oder gar in der Uni gelernt. Nur bei Famulaturen mal so unter der Hand den Tipp bekommen, mir zuliebe eine Krankenschwester bei körperlichen Untersuchungen junger Frauen dazu zu holen.

    Auf der anderen Seite habe ich (und sollte/musste es auch) im Pflegepraktikum die Pflege dort ganz allein gemacht. In meiner jungen Naivität war mir da noch gar nicht wirklich klar, dass ich da im Zweifel rechtlich ganz schlecht dastehe…

  4. @7.21 Uhr: Es soll niemand mit minderjährigen Patienten alleine im Raum sein, egal welches Geschlecht. Von "nicht dürfen" steht da offiziell nix, sondern von "nicht sollen". Meistens sind ja Eltern dabei. Gerade für das Pflegepersonal ist die Regelung aber problematisch, weil meistens nicht mal genug Kräfte vor Ort sind, um alle Bedarfe einfach abzudecken.

    Ich vermute mal, dass meine nette Oberärztin sich direkt nach unserem "Gespräch" beim Chef beschwert hat, und der sagen musste, dass er sich der Sache annimmt, damit sie nicht noch weiter eskaliert. Ich habe in meinem Studium nicht eine Klinik kennengelernt, in der ärztliches Personal seine eigentliche Arbeit unterbricht, um sich im Zweifel noch durch irgendwelche Hotlines zu kämpfen, weil das Gerät geleast ist oder die Haustechnik nur mit den Schultern zuckt. Und dann vielleicht noch stundenlang bei der Fehlersuche hilft, weil der Fehler ja nur auftritt, wenn jemand angeschlossen ist. Oder ähnlich. Aber egal: Anweisung ist Anweisung.

  5. Das ist ja alles überschaubar schön gewesen. Ich hoffe diese Woche beginnt gut – zunächst mal mit einer Rückmeldung von Helena.

    Und ein konstruktives Gespräch mit der Chefetage des Krankenhauses würde ich dir auch wünschen, damit das Arbeitsklima mal netter wird.

    Fühl dich gedrückt!

  6. Ach Mist, Jule! Ich hoffe sehr, dass es Helena gut geht.

    Eine Frage: Kann man deinen Blog als RSS-Feed abonnieren und wenn ja, wie ist die URL? Danke!

  7. Ich nehme nicht an, dass gemeint ist, dass du persönlich den Hersteller kontaktieren sollst – dafür ist deine Arbeitszeit viel zu teuer – sondern "lediglich", dass du, als Person, die eine Entscheidung getroffen hat, dass da ein kritischer Fehler vorliegt, auch jemanden anweisen musst, für die Behebung des Fehlers zu sorgen. Je nach Prozess musst du auch kontrollieren, ob das umgesetzt wurde, sollte aber alles in entsprechenden Dienstanweisungen stehen. Bei uns (IT-Konzern mit 100Mio Jahresumsatz, ich manage Netzwerkinfrastruktur und habe dazu paar Leute) bedeutet das, im Ticketsytem ein Störungsticket zu erzeugen mit zumindest grober Fehlerbeschreibung und Klassifikation des Impacts, damit sich da entsprechend priorisiert um die Lösung kümmert werden kann, und, wenn entsprechend großer Impact vorliegt (und Ausfall eines ITS-Bettes würde ich da glatt dazu zählen, wenn wir welche hätten), sofort telefonisch den Teamleiter, in dessen Bereich die Störung aufgetreten ist, auf das Ticket hinzuweisen. Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass alle denken, "jemand" kümmert sich, und keiner ist dieser "Jemand" – darum klare Zuweisung von Verantwortlichkeiten, an genau eine Person, kein T.E.A.M.

  8. Ohwe, da hast du kein leichtes Spiel mit der Oberärztin.
    Was sagt denn das QM dazu? Möchte man, dass man vor Patient*innen zurecht gewiesen wird? Folge ist, dass der Patient denkt, dass er in dem Laden nicht gut aufgehoben ist. Folge ist, dass er mit seinen Freunden über den "Metzgerladen" redet, Folge ist, dass dies zum "Leichenschauhaus" der Stadt deklariert wird. Folge ist, dass es Bergab geht. Ist das im ökonomischen Sinne?
    Die persönliche Ebene hast du bereits angesprochen. Hier gebietet es der Anstand.
    Wenn man neu ist kann man auch noch viele Fehler machen. Interne Vorschriften, interne Wege etc. PP. Hier könntest du auch mit deinen dir gut gesonnenen Schwestern reden, dass sie dir vielleicht den ein oder anderen Hinweis geben, und du auch nicht böse bist wenn sie dir vielleicht die ein oder andere banalität erklären die du kennen könntest.
    Große Unternehmen haben übrigens soetwas wie einen Einarbeitungsleitfaden.
    Alles Gute und Kopf hoch

  9. Manche Chefs haben noch nicht kapiert, dass man heutzutage nicht mehr mit Angst regiert. Nach meinen Erfahrungen sind viele davon unter einer Diktatur groß geworden, was jetzt aber keinesweg heißen soll, dass der Umkehrschluss gilt.

    Tipp zur Aufmunterung: Programmkino finden, in dem noch "303" läuft. Stimmungsaufhellung garantiert. Und die Protagonistin heißt Jule. Und falls es in keinem Kino mehr läuft, "Die fetten Jahre sind vorbei" vom selben Regisseur ausleihen.

  10. Ich staune eh, was die örtliche Flexibilität der Jugendämter angeht. Das ist doch Teil vom Gemeindebudget? Wenn ein Kind ganz woanders untergebracht wird, zahlt dann die abgebende Gemeinde weiter?

  11. Jule, du bist für mich Anwärter Nr. 1 auf "zehn wichtigste Personen der näheren Zeitgeschichte". Irgendwie hat das Schicksal einen Narren an dir gefressen und bleibt immer ganz dicht an dir dran. Was du erlebst, paßt kaum in eine Spätnachmittagssoapopera, ganz davon zu schweigen, dass die meisten deiner Geschichten abgelehnt würdne, weil "zu unwahrscheinlich". *kopfschüttel*
    Und selbst, wenn das alles hier aus den Fingern gesaugt wäre, so wäre es doch immer noch gut erfunden – und persönlich möchte ich einfach glauben, dass dir zumindest die guten Dinge wirklich passieren – die schlechten könnten gerne jemand anderem um die Ohren fliegen.
    Tja, und mit diesem Wissen, dass bei DIR "Normal" einfach nicht geht, hoffe ich wirklich, wirklich, WIRKLICH ganz doll, dass euer Herzenskind schnell und problemlos wieder zu euch kommt – und dauerhaft bleiben darf.
    Dein Salat

  12. @11.46 Uhr: Tickets? Die Haustechnik fährt mit einem Bollerwagen voller Werkzeug durch die Gänge. Die kann man fragen, wenn eine Tür nicht richtig schließt, weil jemand mit einem Bett dagegen gekachelt ist. Oder wenn ein Abfluss verstopft ist oder eine Lechtstoffröhre flackert. Wenn medizinische Geräte kaputt gehen, muss immer eine Fachfirma kommen. Meistens sind die Dinger auch nur geleast. Die Bereitstellung ist eindeutig Aufgabe der Pflege. Gut, nun weiß ich, dass ich das in dem Fall selbst in die Hand nehmen muss. Am Gerät sind meistens irgendwo Aufkleber, auf denen nicht nur die Hotlines, sondern auch die Gerätenummern draufstehen. Ganz so schlimm wie bei den meisten Telefonanbietern ist es nicht, soll heißen: Man kommt noch vor Ende der Schicht an einen Agenten, der einen mit viel Musik an einen Fachberater durchstellt, welcher dann am Telefon solche Dinge macht wie: "Halten Sie beim Einschalten die Taste oben links gedrückt bis sie ein Piepen hören, dann lassen Sie die Taste los und drücken sie innerhalb von fünf Sekunden noch drei Mal, wobei Sie beim letzten Drücken die Taste erneut bis zu einem weiteren Piepton gedrückt halten. Was wird Ihnen angezeigt?" – "F 461" – "Dann muss jemand zu Ihnen rauskommen. Passt es morgen um 14.50 Uhr?"

    @Clavicular: QM ist nochmal ein guter Tipp, falls das nicht aufhört. Ich hoffe ja noch, dass sie erstmal nur gegenan reden musste und eventuell nochmal nachdenkt, bevor sie mich wieder vor Dritten zurechtstutzt. Aber falls nicht … guter Tipp. Das mit den Schwestern oder auch den ärztlichen Kolleginnen und Kollegen läuft eigentlich. Ich sage ja auch immer schon, dass die mich bloß kritisieren sollen, damit ich dazulernen kann. Klappt eigentlich. Einarbeitungsleitfaden gibt es tatsächlich, eine Ringmappe, da steht aber nichts von Telefonieren mit Hotlines oder zweiter Person bei Minderjährigen. Das habe ich in einer der rund 80 PDF-Dienstanweisungen gefunden.

    @Feststelltaste: Es wäre ja auch möglich, dass das Jugendamt von ihrem alten Wohnort zuständig ist und es hier eine länderübergreifende Kooperation in der Jugendhilfe gibt.

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