101 mal gesucht

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Ich habe mir mal wieder 101 Suchbegriffe, die Leserinnen und Leser hierher gespült haben, auswerfen lassen und mir so meine Gedanken dazu gemacht.

1. ab wann ist man erwachsen
Auf dem Papier ab 18 Jahren, in der Realität manchmal erheblich später.
2. abführzäpfchen vor schwimmbad
Keine gute Idee.
3. als mann nackt in der jeans sexy
Kommt drauf an, aber allemal besser als in einer Unterhose mit Sägefisch-Motiv.
4. am strand zelten
… ist meistens nicht erlaubt. Aus Gründen.
5. anderes wort für einst
Früher.
6. apfelmus einfrieren
Im Gefrierbeutel kein Problem.
7. aus versehen laut gepupst
Soll vorkommen, hab ich gehört.
8. aus versehen leise gepupst
Soll auch vorkommen.
9. badesee pinkeln alle rein
Alle wohl nicht, aber einige wohl schon.
10. bea hat das handy aus
Dann möchte Bea wohl nicht gestört werden.
11. behinderte ausleihen party
Alles klar bei dir?
12. behindertenfick strafbar
Nur, wenn jemand nicht zugestimmt hat.
13. beide eltern braune augen kind blaue fremdgegangen
Nein, ein Kind braunäugiger Eltern kann blaue Augen haben.
14. beim fernsehen einfach pupsen
Von mir aus kannst du beim Fernsehen machen was du willst.
15. beim orgasmus unangenehm pipi
Kann es sein, dass du gesquirtet hast?
16. birkenstock quietschen beim laufen
Ölen?
17. bist du nackt in der badewanne
Ja.
18. bist du sexy
Ich finde schon.
19. damenbinden besser als tampons
Das muss jede Frau selbst wissen. Ich finde Tampons besser als Binden.
20. darf ich dich was fragen
Nur zu.
21. darf ich mit unterhose duschen
Wer sollte es dir verbieten?
22. darf man in deutschland seine cousine heiraten
Soweit ich weiß, ja.
23. du bist nicht du wenn du untervögelt bist
Das stimmt.
24. du hältst jetzt deine schnauze
Ich sage ja gar nichts.
25. du hast eine meise
Derzeit ist keine im Garten. Es ist einfach schon zu kalt.
26. du kannst ja nichts dafür
Ich sowieso nicht.
27. du parkst wie eine wurst
Wie parkt denn eine Wurst?
28. endoskop baumarkt darmspiegelung
Lass es.
29. fachwort für zwanghaftes nasebohren
Rhinotillexomanie.
30. falsche freunde aussortieren
Das ist immer ratsam.
31. freundin trägt gerne pampers
Soll vorkommen. Stört es dich?
32. furzen beim essen
Finde ich jetzt nicht so lecker.
33. furzt du nachts im bett
Ja.
34. gäbe es eine möglichkeit
Immer.
35. gut küssen wichtig
Für mich ja.
36. hallo jule ich lebe noch
Ja, moin, das ist fein!
37. hast du ein pinkes stethoskop
Nein, aber ich weiß, dass das bei einigen Mädchen gerade der Renner ist.
38. hast du einen vorhang vor der badewanne
Nein.
39. heizung nicht angestellt ich friere
Tja, da weiß ich auch nicht, was man da machen könnte.
40. hört ihr es hat gegongt
Sowas nennt man akustische Halluzination.
41. ich drücke dir die daumen
Danke!
42. ich leihe dir geld
Nochmal danke, ist aber gerade nicht nötig.
43. ich muss ganz dringend pipi
Im Bad gibt es so eine weiße Keramikschüssel, da kann das rein.
44. im neoprenanzug bekomme ich gefühle
Viel Spaß.
45. im notfall aa in die windel
Das ist eine ziemliche Schweinerei.
46. jule findet marie sexy
Marie ist sexy.
47. jule in wirklichkeit busfahrerin
Ich hatte tatsächlich mal einen Kleinbus.
48. jule kommt aus dem schwarzwald
Das ist jemand anderes.
49. jule stinkt
Nö.
50. kann ein pferd schwimmen
Ja.
51. kann ich frische champignons essen
Wenn du sie verträgst und keine Allergie hast, wüsste ich nicht, was dagegen sprechen sollte. Aber bitte nicht ungewaschen.
52. kann ich singen
Sing mal.
53. kann jemand mit einem iq von 45 sprechen
Ja, eine Bekannte von mir hat einen IQ von 45. Ist sehr nett, sehr hübsch, kann aber keine Uhr und scheitert an ihren Schnürsenkeln. Weiß aber schon vor der Begrüßung, wie es dir gerade geht.
54. kann man in der ostsee baden
Ein wenig zu kalt im Moment, würde ich denken.
55. kannst du mir einen witz erzählen
Okay, noch einen gemeinen Behindertenwitz: Was machen siamesische Zwillinge im Sportunterricht? Ein Kopf-an-Kopf-Rennen.
56. können hummeln fliegen
Sagen wir mal so: Sie heben ab und sie landen wieder. Ob sie dorthin wollten, weiß man immer nicht so genau.
57. können kinder asthma kriegen
Ja, viele Kinder haben Asthma.
58. können querschnittgelähmte sex haben
Meine Lieblings-Dauerbrenner-Frage. Die Antwort lautet: Ja.
59. liliputaner korrektes wort
Kleinwüchsiger Mensch.
60. machen viele mädchen in ihre badesachen
Im Freibad hoffentlich weniger als im Meer.
61. mädchen können rülpsen
Das stimmt.
62. magst du polenböller
Nein.
63. masturbieren bei erkältung
Wenn dir danach ist …
64. mein freund fährt gerne im rollstuhl
Meine beste Freundin macht das auch. Jeden Tag.
65. mein tampon geht nicht rein
Schön vorsichtig sein. Tu dir nicht weh.
66. mein trainer möchte sex und ich bin 17
Und was möchtest du?
67. meine eltern sind endlich volljährig
Glückwunsch!
68. meine freundin und ich machen gerade petting
Nee. Du tippst am Computer.
69. mit 18 schon volljährig
Auf dem Papier schon, in der Realität oft nicht.
70. mitschülerin und ich schmusen in der umkleide gibt es ärger
Wenn ihr den Unterricht verpasst, ja. Sonst eher nicht.
71. nackt im eigenen pool verboten
Wer verbietet das?
72. onanieren masturbieren unterschied
Streng genommen beschreibt ‚masturbieren‘ die geschlechtliche Selbstbefriedigung und ‚onanieren‘ den unterbrochenen Geschlechtsverkehr. Die Bibel erzählt, wie Onan mit einer Frau schläft, jedoch außerhalb auf den Fußboden ejakuliert und deshalb von Gott getötet wird (Genesis 38.9).
73. penis eingipsen
Nee, das geht nicht.
74. pferd furzt beim reiten
Das machen die doch oft.
75. pipi gemeinsame badewanne
Euer ganz spezieller Badezusatz?
76. querschnittgelähmt grad 3
Das kenne ich nicht.
77. raclette im puff
Feierst du Silvester im Puff?
78. radhose mit oder ohne unterhose
Ohne!
79. rollstuhl mieten
Es gibt bestimmt Sanitätshäuser, die einen verleihen. Dürfte vermutlich der letzte Heuler sein.
80. sally oben ohne gesehen
Ich noch nicht.
81. sauberstoffsättigung nachts 85
Das ist viel zu niedrig. Ab zum Arzt!
82. schienbein blut abnehmen unsinn
Nein, kein Unsinn.
83. schulpraktikum im puff machen
Den Vorschlag kannst du deinem Lehrer ja mal machen.
84. vor magenspiegelung zähne putzen
Ja.
85. wann darf man hupen drücken
Meine Hupen darf niemand drücken.
86. wann kommt dhl
Bei mir meistens so um die Mittagszeit.
87. wann macht penny auf
Keine Ahnung, dort kaufe ich selten ein.
88. warum ist sprit so teuer
Spekulatius, nä?
89. was bedeutet käsiger verfall
Das gibt es zum Beispiel bei Tuberkulose.
90. was ist eine otholite
Otolithen sind kleine Steine, die sich bei Wirbeltieren im Innenohr befinden und dort für die Wahrnehmung von Beschleunigung und Verzögerung des Körpers zuständig sind.
91. was ist supra reanimation fernsehen
Suprarenin ist synthetisch hergestelltes Adrenalin.
92. wenn die party eskaliert
… schickst du deine Gäste nach Hause.
93. wer bin ich
Sag du es mir.
94. wer hat meine telefonnummer
Ich nicht.
95. wespe im glas notarzt
Wenn sie bereits in den Mund oder Rachen gestochen hat, ist das nicht verkehrt. Solange sie aber noch im Glas ist, gibt es eine einfachere Lösung des Problems: Nicht trinken!
96. wie findest du knackige männer
Knackig.
97. wie fühlt sich eine leiche an
Kalt. Und durch die ungewohnt kalte Haut fühlt sich diese häufig sehr samtig an.
98. windeln im neoprenanzug sinnvoll
Im Trockenanzug macht das Sinn. Im Nassanzug nicht.
99. wird jemand mit schneewittchen syndrom gerne als baby behandelt
Vom Schneewittchen-Syndrom spricht man, wenn eine Mutter neidisch auf ihre Tochter ist und die Tochter dann, um die Mutter nicht unglücklich zu machen und weiter von ihr geliebt zu werden, ihren (externen) Erfolg abwendet, nicht mehr auf ihr Aussehen achtet etc. Gemeint ist hier vermutlich das Aschenputtel-Syndrom (oder Cinderella-Syndrom), bei dem vorwiegend junge Frauen mit ihrer Unabhängigkeit überfordert sind und sich in eine behütete Atmosphäre (zurück) sehnen.
100. wo ist jule
Hier!
101. wohin kommt der pokal?
Du könntest ihn ins Regal stellen. Oder ins Gästeklo. Je nachdem.

Arbeiten, saunieren, reiten

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Oh, ich darf mal atmen. Zwischendurch. Nur ein wenig. Nur ganz flach. Durchatmen würde ich ja gar nicht verlangen. Das wird sowieso überbewertet.

Zum ersten Mal seit vier Wochen habe ich mal zwei Tage am Stück frei. In meiner Klinik steppt der Bär, die ohnehin schon dünne Personaldecke ist, als die erste Atemwegs-Infekt-Herbstwelle sie aufschüttelte, zerbröselt. Wie ein alter, staubiger Lumpen, der fünfzig Jahre auf dem Dachboden in der Sonne lag. Eigentlich mache ich eine Facharzt-Ausbildung, eigentlich habe ich keine Erfahrung, aber wenn ein ebenso frischer Kollege und ich nicht mehrere 24-Stunden-Schichten hingelegt hätten, hätten sie den Laden wohl schließen müssen.

Nein, es ist wirklich unschön. Um nicht zu sagen: Eine Zumutung. An einem Morgen, keine halbe Stunde nach Dienstbeginn, kümmerte sich mein Kollege um eine 14jährige, die so lange hyperventiliert hatte, bis sie Sterne sah und umgekippt ist (durch das verstärkte Ausatmen von Kohlendioxid gerät der Säure-Basen-Haushalt durcheinander und das Blut wird basischer). Mich rief man unterdessen zu einer 14jährigen mit Atemnot, die am Vorabend mit einem entgleisten Diabetes stationär aufgenommen worden war. Mein spontaner Verdacht auf eine frische Lungen-Embolie bestätigte sich später. Insofern bin ich einerseits einigermaßen stolz auf mich, sofort alles richtig gemacht zu haben (schließlich kann man, gerade wenn man bei einer 14-Jährigen, die ohne einschlägige Vorgeschichte aufgenommen worden war, jetzt nicht spontan eine Lungen-Embolie erwartet, sehr viel falsch machen), andererseits in großer Sorge, dass beim nächsten Mal meine fehlende Erfahrung einen Strich durch die Rechnung machen könnte. Maries Mutter nannte die Zustände „unverantwortlich“, sie habe andere Zeiten erlebt.

Im Moment, so habe ich das Gefühl, ist es auf allen Ebenen anstrengend. Ich habe beispielsweise in den letzten vier Wochen insgesamt sieben Autos abschleppen lassen. Ich weiß nicht, was im Moment los ist. Hat der lange Sommer dazu geführt, dass bei dem einen oder anderen Teile des Hirns eingetrocknet sind? Nein, es ging nicht darum, dass ich mir einen Parkplatz freigeschaufelt hätte. Sondern dass ich Autos entfernen lassen musste, um in mein Fahrzeug einsteigen zu können. Weil sich andere Menschen zu mir auf den von mir belegten Behindertenparkplatz hinzu gestellt haben. Nach dem Motto: „Wieso Raum verschenken? Da passe ich doch noch mit drauf. Klar, es wird dann zwar so eng, dass man neben mir nur noch durch den Kofferraum einsteigen kann, aber das ist ja nicht mein Problem, meine Tür geht ja auf.“ – So ungefähr. Weiße Markierungen auf dem Boden sind doch nur aufgemalt, weil die Stadt zuviel wasserfeste Farbe bestellt hatte. Und das Schild mit dem Rollstuhlsymbol ist eigentlich auch nur ein Landeplatz für Vögel. Immerhin kam die Polizei jedes Mal sehr schnell und der Abschlepper auch. Eine Krone hab ich aber noch draufzusetzen: Einen besonders dreisten (ich würde gerne „Spinner“ sagen, aber das darf ich ja nicht) Menschen hat es gleich zwei Mal erwischt. An einem Tag musste er fragen, wohin sein Auto umgesetzt worden ist, am nächsten Tag parkte er wieder im Abstand von nicht einmal zehn Zentimetern neben mir. Vielleicht hat am zweiten Tag auch der Bruder das Auto gefahren. Dafür spräche, dass einer alleine wohl kaum so doof sein kann.

Vermutlich übernimmt in allen Fällen inzwischen das Handy das Denken. Früher habe ich diejenigen belächelt, die ihr Auto im Fluss versenkt haben, weil das Navi ihnen auf der Kaimauer das Abbiegen empfohlen hat, heute habe ich zunehmend das Gefühl, kaum einer denkt noch mit und ist gleichzeitig vom Blick auf den Bildschirm abgelenkt. Oder davon, sein Gerät wie ein Knäckebrot vor den Mund zu halten und irgendwas ins Mikrofon zu labern. Alleine zwei junge Frauen konnte ich beim Warten auf den Abschlepper dabei beobachten, wie sie nacheinander gegen dieselbe gläserne Bushaltestellen-Box gerannt sind, weil sie mir ihrem Handy beschäftigt waren. Eine hat den Anprall noch mit dem Arm abgefangen, die andere hielt sich hinterher den Kopf und hat morgen vermutlich eine fette Beule an der Stirn.

Andere träumen, während sie sich darauf verlassen, dass ich für sie mitdenke. Noch anstrengender. Die erste Vollbremsung der letzten Woche musste ich an der Ausfahrt eines Baumarktes hinlegen. Jemand kam mit einem alten Ford Fiesta vom Parkplatz, ohne auch nur eine Sekunde auf die vierspurige Straße geschaut zu haben. Als ich hupend und quietschend einen halben Meter vor dem Kollisionspunkt zum Stehen kam, niemand hinten reinkrachte, Helena noch in den Seilen hing, winkte dieser falsch abbiegende Fahrer mir zu und zeigte mir „Daumen hoch“. Die zweite Vollbremsung war nötig, weil eine Radfahrerin ein Stopp-Schild missachtete. Ich fuhr auf einer abknickenden Vorfahrtstraße, bog links ab, sie kam aus der von vorne einmündenden Straße mit Stopp-Schild, allerdings ohne anzuhalten. Marie saß neben mir auf dem Beifahrersitz und schrie nur: „Die fährt!“ – Da bremste ich aber schon lange. Statt sich zu entschuldigen, brüllte die Radfahrerin draußen herum, zeigte mir eine Scheibenwischer-Geste und versuchte im Vorbeifahren, meinen Spiegel abzutreten. Packte sich dabei fast noch auf die Nase. Vollbremsung Nummer drei war vor einer Engstelle. Ich hatte das blaue Schild, die Dame, die mir entgegen kam meinte offenbar, sie könne einfach auf meiner Spur weiterfahren, musste dann aber auch scharf abbremsen, um nicht mit mir zusammenzukrachen, schüttelte den Kopf und lenkte, statt die zehn Meter zurückzufahren, über den Rad- und Gehweg rechts an mir vorbei. Hatte dabei ein Handy am Ohr und diskutierte aufgeregt. Vermutlich nicht über die brenzlige Situation im Straßenverkehr.

An den letzten beiden Sonntagen waren wir bei Maries Eltern. Zu dritt, mit Helena. Ja, sie wohnt noch immer bei uns und ja, wir sind zuversichtlich, dass sie auch weiterhin bei uns wohnen darf. Allerdings ist noch immer keine endgültige Entscheidung gefallen. Den Tag bei Maries Eltern haben wir zur gemeinsamen Entspannung genutzt. Sind morgens hingefahren, haben gemeinsam gebruncht, sind anschließend zu dritt (Marie, Helena und ich) in der Sauna im Garten gewesen und im Pool geschwommen. Maries Eltern waren nachmittags bei Freunden eingeladen. Eigentlich wollten wir mit Helena nur ein wenig schwimmen. „Dürfen wir nicht in die Sauna?“, fragte sie. Marie antwortete: „Doch, aber das mag ja nicht jeder.“ – „Ich liebe Sauna. Darf man, wenn man in der Sauna war, anschließend eigentlich auch nackt in den Pool?“ – Alles klar, alle Sorgen mal wieder unbegründet.

Aber es gab auch begründete Sorgen zwischenzeitlich. Grenzen austesten gehört ja dazu und manchmal würde ich mir wünschen, Helena testet gemächlicher. Ich bekam eine Nachricht von ihrer Lehrerin, dass sie ohne Entschuldigung zwei Stunden zu spät gekommen war. Dabei war sie pünktlich los. Am Nachmittag saß Helena mit ihrer besten Freundin, der Tochter der Kollegin von Maries Mama, in ihrem Zimmer, als ich nach Hause kam. Immerhin waren die beiden mit irgendwelchen Schuldingen beschäftigt. Ich fragte Helena direkt: „Warst du heute in der Schule?“ – Immerhin log sie mich nicht an, sondern sagte gar nichts. Ich fragte ihre Freundin: „War Helena heute in der Schule?“ – Sie zögerte einen Moment, antwortete dann: „Na klar war sie heute in der Schule.“ – Ich fragte: „Und wann?“ – Sie seufzte. Dann sagte Helena: „Nach der großen Pause. Na und?“

Ich sprach die Freundin an: „Geh bitte nach Hause.“ – Helena fielen fast die Augen aus dem Kopf. Sie tat mir so leid, aber das musste sein. Helena sagte: „Englisch kotzt mich an. Wir machen die ganzen zwei Stunden nichts weiter als Vokabeln wiederholen, weil die anderen sie zu Hause nicht richtig lernen. Da sind wir halt reiten gewesen.“ – „Helena, erstens möchte ich wissen, wann du reitest, zweitens bin ich nicht damit einverstanden, dass du die Schule schwänzt.“ – „Ich weiß. Deswegen haben wir vorher ja auch niemanden von unserem Plan erzählt.“ – „Helena, das geht nicht. Schule ist keine Party, bei der man kommt und geht, wann man will.“ – „Du hast nie geschwänzt früher, oder?“ – „In deinem Alter nicht, nein.“ – „Später?“ – „Später ja.“ – „Heute fängt man mit vielen Dingen früher an.“ – „Nee, Helena, vergiss es. Das ist einfach nicht okay. Wo wart ihr überhaupt mit den Pferden?“ – „Wir waren am Strand und sind mit Fullspeed durch das flache Wasser galoppiert.“

Wie toll. Ich sagte: „Helena, ich kann dich wirklich gut verstehen. Aber ich kann das nicht dulden. Und wenn es nicht reicht, dass wir darüber reden, muss ich mir Konsequenzen überlegen. Und das möchte ich eigentlich nicht. Und du, glaube ich, auch nicht.“ – „Jule, ich hab zwei Stunden geschwänzt, okay? Zwei Stunden. Ich habe das jetzt nicht jeden Tag oder jede Woche vor. Aber ich will eigentlich auch nicht versprechen, dass das nie wieder vorkommt.“ – Ich holte schon Luft, da fuhr sie fort: „Ich verspreche aber, dass es erstmal nicht wieder vorkommt und dass ich dir das erzähle, wenn es nochmal vorgekommen sein sollte. Ich wollte dir das von heute auch erzählen, aber du hast mich ja gar nicht zu Wort kommen lassen.“

Kann ich damit leben? Erstmal ja. Ansonsten wird es wohl darauf ankommen, wann sie das wieder macht. Die Mutter der Freundin rief mich kurz darauf an und wollte mir verkünden, dass die beiden Scheiße gebaut haben. „Ich weiß es schon. Helena hat es mir erzählt und ich gehe davon aus, dass das nicht wieder vorkommt.“ – „Diese kleinen Kröten. Sie sind so süß mit ihrem eigenen Kopf. Einerseits sind sie so selbständig, dass sie das alles aushecken und mit den Viechern loskommen und da auch hinterher alles richtig gemacht haben, andererseits haben sie keinen Plan, warum das nicht geht und was alles passieren kann. Und damit meine ich nicht, dass sie jemand sieht. Meine war wohl die Anstifterin und hat von mir erstmal eine Woche Stubenarrest aufgebrummt bekommen. Damit fällt das Reiten bei ihr für die nächste Woche flach. Jetzt sitzt sie in ihrem Zimmer und heult.“

Ich überlegte, was das früher wohl bei meinen Eltern ausgelöst hätte. Ehrlich gesagt: Ich weiß es nicht.

Gewissen

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Helena ist wieder da. Angeblich gab es nicht genügend Personal, um ihre Rückfahrt zu organisieren oder durchzuführen. Und das Handy hat man ihr am ersten Tag abgenommen, weil beim Probewohnen und in den ersten vier Wochen generell kein Handy erlaubt sei. Helena ist Marie und mir um den Hals gefallen, als sie wieder da war, konnte es nicht abwarten, endlich (verspätet) in die Schule zu kommen, und fand das Wochenende schrecklich. Die anderen Jugendlichen seien einzeln ganz okay gewesen, aber ein völlig kaltes, rechthaberisches Klima, in dem es nur darum geht, der Coolste zu sein, herrschte in der Gruppe vor. Die Mitarbeiterinnen seien alle sehr arrogant gewesen. Und niemand habe mit ihr geschmust. Dabei ist sie eine absolute Schmusebacke.

Nee, ich weiß schon, wofür Marie und ich uns erneut „fortbilden“ lassen haben: Wie erziehe ich mein Kind nicht? 95% der dort vermittelten Inhalte erschließen sich einem intellektuell durchschnittlich begabten Erwachsenen innerhalb von 30 Sekunden. Ich kam mir ein wenig so vor wie beim Lesen jener Gebrauchsanweisungen, in denen fett aufgeführt wird, dass man seinen Hamster nicht in den Föhn stecken oder seine Gummistiefel nicht im Backofen trocknen soll. Aber egal, wir haben darüber geredet und jetzt weiß ich es.

Das Kinder-Intensivbett, das ich gestern stillgelegt hatte, weil ein Gerät ständig falschen Alarm gibt, war zwischenzeitlich von einem Techniker angesehen und für in Ordnung befunden worden. Meine Oberärztin hat es heute wieder belegt, und als nach zwanzig Minuten wieder falscher Alarm ausgelöst wurde (wieder mit höllenlautem Dauer-Dingeldingeldongdong über die ganze Station), hat die Oberärztin entschieden, dass das Gerät komplett ohne akustische Alarme weiterbetrieben wird. Bedeutet: Geht es der dort angeschlossenen Patientin wirklich schlecht, bekommt man das mitunter erst ganz verzögert mit. Auch im Stationszimmer, wo die Vitalparameter aller Betten auf einem vernetzten Monitor ebenfalls angezeigt werden, ließen sich keinerlei sinnvolle EKG-Werte für dieses eine Bett erheben. Zudem blinkte das Ding permanent aufgeregt, so dass man ständig dorthin blickt. Dieses Mal habe ich nun den Chefarzt angesprochen, weil ich es unverantwortlich finde, jemanden, der intensiv überwacht werden soll, in ein Bett zu legen, das nicht intensiv überwachbar ist.

„Das ist aber geprüft worden, das Gerät ist in Ordnung. Habe ich hier schwarz auf weiß.“ – „Tun Sie mir bitte einen Gefallen und schauen Sie einmal auf den Flur, da blinkt es Ihnen schon entgegen.“ – „Gleich. In fünf Minuten.“ – Vermutlich wollte er mir einen Vorsprung lassen, denn als er kam, wurde das eine Bett erneut gesperrt. Was zur Folge hatte, dass ein Kind in ein anderes Krankenhaus verlegt werden musste. Und nun verleg mal ein Intensivkind … Meine Oberärztin guckte mich mit schmalen Augen an. Tja, ist so. Es ist verdammt schwer, sich gegen sie durchzusetzen, aber alles andere hätte ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren können.