Ein Goldstück

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Ich bin aufgeregt! Unsere Baufirma möchte sich gerne eine Zusatzprämie verdienen und bietet an, unser Bauobjekt bereits am 2. Januar (statt bisher am 29. Januar) schlüsselfertig zu übergeben. Bereits das Richtfest war gut 14 Tage früher als eigentlich geplant. Zum Glück halte ich mich da fast völlig raus und vertraue auf Menschen mit Erfahrungen, die raten, von solchen Deals die Finger zu lassen. Es ist ein Vertrag geschlossen, den wir beide einhalten. Es wird nicht mittendrin neu verhandelt. Wenn die Firma freiwillig früher die vereinbarte Leistung abliefert und/oder sie besonders gut abliefert, wird man sich sicherlich erkenntlich zeigen. Aber vertraglich bleibt alles beim Alten.

Wenn ich bedenke, wie lange es auf öffentlichen Bahnhöfen teilweise dauert, bis ein Aufzug eingebaut oder erneuert wird, wundert es schon, dass so etwas im privaten Bereich auch mal in drei Wochen geht. Okay, ein völliger Neubau ist etwas anderes als ein Austausch in einem uralten Bahnhof, zudem, wenn beim Austauschobjekt keine alten Bauzeichnungen mehr voliegen und beim Umbau Überraschungen eintreten. Aber dennoch: Drei Wochen gegen teilweise über ein Jahr ist schon bemerkenswert. Das heißt konkret: Der Aufzug ist bereits drin. Noch nicht abgenommen, darf also noch nicht betrieben werden. An den Außentüren fehlt noch jeweils eine Blende und am Bedientableau muss noch etwas ausgetauscht werden. Aber er ist drin und funktioniert. Und sieht sehr gut aus.

Bei den eingebauten Fenstern stimmt auch etwas noch nicht, denn es sind im ersten und zweiten Stock zwar bodentiefe Fenster vereinbart worden, allerdings dürfen die nicht auf ganzer Höhe zu öffnen sein. Das heißt konkret: Es war vereinbart, dass die mittig geteilt sind, unten ist es fest, oben geht es zu öffnen. Das Problem wurde gerade vor Ort besprochen, als ich da vorbei kam. Fensterfirma: „Aber so ist es doch viel schöner!“ – Unglaublich, seit wann interessiert der persönliche Geschmack des Fensterfirma-Mitarbeiters? Zum Glück muss ich mich mit solchem Mist nicht rumärgern. In Bad und Küche haben sie das Glas vertauscht, also ist in der Küche jetzt undurchsichtiges Milchglas drin und ins Bad kann man von draußen reingucken und beim Duschen spannern. Aber das ist wohl nur eine Kleinigkeit.

Drollig war auch die Diskussion um die Notwendigkeit einer Gegensprechanlage mit Kamera. Wenn jemand bimmelt, kann man drinnen sehen, was sich gerade vor der Haustür abspielt. Ob das wirklich so sein soll, hatte die Firma gefragt. Immerhin könnte man doch in allen Wohnungen aus mindestens einem Fenster den Haustürbereich einsehen. Aber egal, das sind Kleinigkeiten, überwiegend ist alles in Ordnung und sieht bereits sehr gut aus. Auch der übliche Baustellen-Diebstahl hält sich in Grenzen. Bisher vermissen wir lediglich eine Fensterbank und eine Badewanne. Allerdings haben wir auch jemanden, der sehr genau aufpasst: Jener Nachbar mit dem Ehrenplatz beim Richtfest hat schon drei Mal die Polizei gerufen, weil sich nachts Leute mit Taschenlampen auf dem Baugrundstück herumtrieben.

Seit heute steht auch fest, mit welchen fünf Mietern wir einen Mietvertrag abschließen wollen. Mietbeginn wird der 1. Februar sein. Die Schlüsselübergabe wird einige Tage vorher bereits sein können, sofern die Baufirma tatsächlich vorher fertig wird und alle Abnahmen vernünftig über die Bühne gehen. Es gab ja vor allem im Freundes- und Bekanntenkreis und auch unter einigen Kommentatoren meines Blogs arge Bedenken, ob überhaupt ausreichend Interesse besteht. Ich sage nur: Angespannter Hamburger Wohnungsmarkt. Vier Wohnungen sind mit öffentlichen Mitteln gefördert, auf die vier Wohnungen gab es über zwanzig Bewerbungen. Barrierefreier Wohnraum, den das Land mit öffentlichen Mitteln fördert, darf in Hamburg nur mit Zustimmung der Behörden vermietet werden. Das bedeutet: Jede freie Wohnung wird an das Amt gemeldet und das Amt stellt mehreren Menschen eine Bescheinigung aus, mit der sie sich auf eine bestimmte Wohnung bewerben dürfen. Um so einen Bescheid zu bekommen, muss man bei der Behörde nachweisen, dass man von Obdachlosigkeit bedroht ist oder ähnliche schwerwiegende Gründe vorliegen.

Wir haben uns mit den Menschen, die wir anhand der Bewerbungsunterlagen in die engere Auswahl gezogen hatten, persönlich in einem Cafè in der Hamburger City getroffen. Wir hatten uns aus den über zwanzig Bewerbern insgesamt zehn ausgesucht und nacheinander in das Cafè eingeladen. Es war eine sehr anstrengende weil sehr emotionale Erfahrung. Emotional, obwohl wir, bevor wir nicht alle zehn Bewerberinnen und Bewerber gesehen hatten, keine Zu- oder Absage gemacht haben.

Standardmäßig haben wir einen Einkommensnachweis, eine Selbstauskunft und eine Bescheinigung des aktuellen Vermieters verlangt. Und im persönlichen Gespräch gefragt, warum jemand umziehen möchte. Kam dabei heraus, dass jemand unter sehr großem Druck stand, haben wir auch gefragt, ob der Druck so groß ist, dass er deshalb in eine eher ländliche Gegend zieht. Mehr Verunsicherung musste aber nicht sein, darauf hatten wir uns im Vorfeld geeinigt.

Eine Wohnung geht an eine 24jährige Frau, die sich vor rund einem Jahr bei einem Sturz eine komplette Querschnittlähmung unterhalb des 3. Brustwirbels zugezogen hat. Sie hat zum 1. Oktober einen neuen Arbeitsplatz gefunden, wohnt aber nach wie vor in einer Wohnung, die sie sich vor ihrem Unfall mit ihrem Exfreund angemietet hatte und die nicht barrierefrei ist. Jeden Morgen wird sie von einem Behinderten-Fahrdienst aus dem 4. Stock zu ihrem Auto getragen, jeden Abend wieder nach oben. Sie war bestens auf das Gespräch vorbereitet, hatte Fotos von ihrer jetzigen Wohnsituation dabei. So etwas ist natürlich sehr spannend, weil es den Eindruck vermittelt, wie jemand lebt. Sauber, aufgeräumt, geschmackvoll eingerichtet. Sie wirkte sehr aufgeschlossen, erzählte davon, dass sie die weitläufige Natur lieben würde und sich darauf freue, endlich handbiken zu können, ohne immer erst lange aus der Stadt fahren zu müssen.

Eine Wohnung geht an eine 20jährige Frau, die eine angeborene körperliche Beeinträchtigung (Zerebralparese) hat. Einschließlich einer für die Umwelt deutlich wahrnehmbaren Sprachstörung. Insbesondere „s“, „t“, „ch“ und „sch“ machen ihr erhebliche Schwierigkeiten. Dadurch denken die meisten Leute, sie sei bescheuert, sagte sie. „Beide neue Wohnung brau ä wege fricke Luff keine Sorge ham.“ – Sie war sehr locker drauf: „Ä hab keine Kartoffeln immunn. Dahör senur so an.“ – Für längere Strecken habe sie einen Rollstuhl. Sie habe bereits einen Führerschein, aber noch kein Auto. Nach ihrem Realschulabschluss macht sie aktuell eine Ausbildung in der öffentlichen Verwaltung. Sie hat bis Sommer im Internat gewohnt, stehe nun auf der Straße und sei übergangsweise bei ihren Pflegeeltern untergekommen, wo sie wohnte, bis sie 15 war. Diese seien inzwischen umgezogen, die neue Wohnung ist nicht mehr barrierefrei, sie krabbelt jeden Morgen 25 Stufen runter und abends wieder rauf. Es ist ein wenig risikoreich: Erstes eigenes Geld, noch dazu nur Ausbildungsgehalt. Erste eigene Wohnung, verlockend, ständig Party zu feiern. Aber sie soll eine Chance bekommen und sie machte einen sehr reifen und vernünftigen Eindruck. Die ehemalige Pflegemutter begleitete sie zu dem Termin und signalisierte, dass sie hilfsbereit zur Seite stünde, wenn es wider Erwarten Probleme geben sollte.

Eine Wohnung geht an eine allein erziehende Mutter mit einem 4jährigen Jungen, der das Down-Syndrom hat. Er saß total lieb die ganze Zeit bei Mama auf dem Schoß und interessierte sich für ihr Handy. Sie habe sich von ihrem Partner getrennt, sie leben aktuell noch in einer Wohnung, wollen dort aber so schnell wie möglich raus. Er habe bereits eine neue Frau, die ihn dort auch besuche, mehr wolle sie nicht ausführen, es sei unerträglich für sie. Sie lebe von Hartz IV, allerdings brachte sie eine Bescheinigung mit, dass die Mietkosten der neuen Wohnung vollständig vom Amt übernommen werden. Ich fragte, ob eine Zweizimmerwohnung nicht zu klein sei. Sie antwortete: „Mein Sohn bekommt ein Zimmer. Mir reicht ein Zimmer mit Küchenzeile und Schreibecke. Und einem Schrankbett. Meine Mutter wohnt fünf Minuten mit dem Fahrrad entfernt, es wäre wirklich ideal. Ich habe so betteln müssen, diesen Schein für dieses Haus zu bekommen, bitte schicken Sie mich nicht weg.“

Eine Wohnung geht an einen allein stehenden Mann, 75 Jahre alt, Beamter im Ruhestand. Er wohne zur Miete im dritten Stock, seine Frau sei vor mehreren Jahren an Krebs verstorben, er habe über 40 Jahre lang bei Wind und Wetter für den Staat geschuftet, sein Rücken sei kaputt und er brauche inzwischen einen Gehwagen und möchte sich für draußen einen E-Scooter anschaffen. Die jetzige Wohnung sei zu groß, es gebe keinen Aufzug, er käme kaum noch raus und nun hätten seine Kinder gesagt, sie würden böse werden, wenn er sich nicht auf die Socken mache. Veränderungen würden von Jahr zu Jahr schwieriger und bevor er in ein paar Jahren ins Heim muss, weil er die Treppe nicht mehr rauf und runter kommt, würde er sich lieber jetzt nochmal komplett neu sortieren wollen. Er fühle sich sonst noch jung. Ob das Haus einen DSL-Anschluss habe, sein Sohn habe ihm gerade erst einen neuen PC geschenkt. Mit Internet. Auf die Frage, ob ihn junge Menschen und Kinder im Haus stören würden, antwortete er: „Leben in der Bude ist genau das richtige für mich. Ich habe selbst Kinder und Enkelkinder. Und in dem Haus, in dem ich jetzt wohne, sind auch Familien mit Kindern.“

Und die fünfte Wohnung? Tja, eigentlich war das nicht geplant, aber wir werden eine der beiden nicht geförderten Wohnungen im Erdgeschoss erstmal vermieten. An einen aktuell 40jährigen allein stehenden Mann im Rollstuhl, den ich seit einigen Jahren kenne. Er hat vor einiger Zeit von seiner Partnerin getrennt und ist in der ehemals gemeinsamen Wohnung unglücklich. Sie liegt mitten an einer Bundesstraße, er findet dort keine Ruhe, die Nachbarn seien unmöglich, werfen Essen aus dem Fenster und zünden im Flur die Papierkörbe an. Er lebt seit jeher sehr zurückgezogen, ist aber sehr nett und ruhig. Er verdient eigenes Geld in Teilzeitarbeit an einem Heimarbeitsplatz, ergänzend kommt das Sozialamt für die Mietkosten auf. Eine größere Wohnung als üblich ist nötig, da er teilweise auch nachts Pflege und Assistenz benötigt.

In die sechste Wohnung werden Marie und ich zusammen einziehen. Jeder wird ein großes Zimmer haben, ein gemeinsames Zimmer mit Küche sowie ein großes Bad mit Badewanne und Dusche sowie ein separates Rolliklo sind mehr als ausreichend. Und bisher ist nicht absehbar, dass wir uns nicht mehr verstehen. Sollten wir uns wirklich mal streiten, können wir uns auch in der Wohnung aus dem Weg gehen. Und im schlimmsten Fall könnte Marie auch nochmal eine Nacht oder zwei bei ihren Eltern schlafen. Wir werden die Wohnung zum Februar parallel auch beziehen, werden allerdings bis mindestens zum Ende des Sommersemesters (Juli 2015) noch am jetzigen Studienort weiter studieren.

Wir haben die vier Bewerberinnen und Bewerber am Abend unseres Gesprächstags angerufen und ihnen erzählt, dass die Wahl auf sie gefallen ist. Der ältere Mann sagte, er freue sich, damit hätte er nicht gerechnet. Die anderen drei brachen entweder in Freudentränen oder in emotionales Geschrei aus. Ich sei ein Goldstück, meinte die allein erziehende Mutter. Sie irrt. Ich bin eine Stinkesocke. Hab ich aber nicht erzählt. Wir haben allen angeboten, dass sie, sofern Ein- und Umbauten vorgenommen werden müssen, die Firmen auch bereits in der Bauphase nach Absprache in das Objekt können. Haltegriffe in Bädern und ähnliches kann ruhig im richtigen Moment geplant und eingebaut werden.

Und die, die es nochmal woanders probieren müssen? Eine junge Frau, ey voll krass ich schwör, hatte sechs Handyverträge in der Selbstauskunft. „Sechs Handys? Das sind vier mehr als ich habe, und ich dachte immer, ich hätte viele“, meinte mein „Kollege“. – „Isch brauch die alle wegen meiner Exboys. Wenn die mir aufn Sack gehn, schalt ich einfach eins aus, weissu?“ – Eine junge Frau wirkte völlig verplant und bekam ständig durcheinander, auf welche Wohnung sie sich gerade bewirbt. Ein junger Mann im Rollstuhl war mir zu cool, er meinte, er würde die Wohnung bekommen, das hätte das Amt ihm schon bestätigt und was der Scheiß mit einem Bewerbergespräch solle. Ein anderer junger Student im Rollstuhl war völlig bekifft und wollte sich die Kaution sparen, indem er auf dem Bau hilft. Eine Frau um die 30 kannte ich schon vom Sport und da hatte sie zuletzt bei mir keinen guten Eindruck hinterlassen. Daran änderte sich auch bei diesem Gespräch nichts. Und ein junger Mann wäre noch mit in die Auswahl gekommen, allerdings hatte er nur 800 Euro brutto aus Gelegenheitsjobs und ein Leasingauto – wie auch immer er das angestellt hatte, mir war das zu unsicher.

Wie gesagt, ich bin aufgeregt. Irgendwie bin ich nun ein Stückweit dafür verantwortlich, dass die Leute ab dem 1. Februar nicht auf der Straße pennen müssen. Sie kündigen ihre Wohnungen. Sie freuen sich. Ziemlicher Druck. Aber es wird schon schiefgehen.

Richtfest

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Pünktlich, um nicht zu sagen „überpünktlich“ wurde heute Richtfest gefeiert. Bis zum 30.09.14 sollten Rohbau und Dachkonstruktion fertig sein, die Baufirma hat es aber rund 14 Tage früher geschafft. Wir sind bisher sehr zufrieden, von zwei, drei kleineren Pannen, die aber alle behoben werden konnten, abgesehen, hat es keine Probleme gegeben. Pünktlich vor dem ersten Frost können jetzt noch das Dach gedeckt, Fenster und Außentüren eingesetzt werden, so dass es mit dem Innenausbau planmäßig weitergehen kann. In vier Monaten soll das Haus bezugsfertig sein.

Maries Eltern haben sich um Tische, Bänke und einen riesigen Grill gekümmert. Ein Freund von ihnen hat solche Ausrüstung und auch gleich den passenden Anhänger dazu – und hat sich auch noch bereit erklärt, die Grillzange zu schwingen. Alle beteiligten Firmen eingeladen, sämtliche Nachbarn eingeladen, das Wetter war astrein, besser konnte die Party nicht werden. Die Zimmerleute hatten angeboten, Fleisch, Würstchen, Brot und Salate einzukaufen. Wenn sie das schon anbieten, sage ich natürlich nicht Nein. Die Rechnung für Essen, Trinken und Sprit lag knapp über 600 Euro, das hatte ich mir für die geplanten 70 Leute deutlich heftiger vorgestellt.

Der Nachbar, dem früher das Grundstück gehörte, bekam einen Ehrenplatz an der Tafel, das Ehepaar, das etwas weiter in der Straße wohnt und uns den Bauplatz vermittelt hatte, zwei weitere. Ich musste mich ein wenig wundern, wie viel Hochprozentiges die alten Leute trinken konnten. Aber es sollte ja Spaß machen.

Der größte Spaß war, als ein Zimmermann meinte, er müsste mich huckepack nehmen und mit mir auf das (noch ungedeckte) Dach klettern. Den letzten Nagel hätte er vergessen, den wollten wir zusammen einschlagen, anschließend wollte er mit mir dort oben anstoßen. Ich bin ja sonst für solche Spielchen überhaupt nicht zu haben, aber Andreas, so hieß er, sah aus, als würde er zu Hause die Waschmaschine eigenhändig in den dritten Stock tragen. „Komm her, Fliegengewicht“, sagte er zu mir, setzte mich auf seine Schultern und ging mit mir durch das halb fertige Treppenhaus nach oben. „Stoß dir nicht die Rübe“, meinte er. Er turnte aufrecht stehend über die Dachkonstruktion nach oben, hielt mich mit einem Arm an meinem Hosenbund fest. Mir rutschte das Herz in die Hose. Aber eine schöne Aussicht gab es hier oben. „Keine Angst, kleine Maus, die Balken, die ich hier zuletzt hochgetragen habe, wogen ein klein wenig mehr als du.“

Er setzte mich auf einen Dachbalken, ich hielt mich fast krampfhaft an ihm fest. Er zog einen Hammer aus seinem Hosenbund. „Hier ist ein Hammer, hier ist der Nagel, der muss da rein.“ – Er hielt mich an den Schultern fest, ich hämmerte diesen Nagel in den Balken. Die Menge unten klatschte. Dann holte Andreas zwei Schnapsgläser aus der Hosentasche, einen Flachmann aus der anderen. „So. Und nun anstoßen.“

Er füllte die Gläser, prostete mir zu, ich kippte das Zeug runter. Und das, obwohl ich sonst nie Schnaps trinke. Es brannte in der Kehle und im Magen. „So, und jetzt feuerst du das Glas mit ganz viel Kraft da vorne vor dem Haus auf die Erde und hoffst, dass es kaputt geht. Das bringt dann nämlich Glück.“ – Soso. Ich feuerte und das Glas zersprang in tausend Scherben. Die Menge klatschte und gröhlte. Andreas nahm mich wieder huckepack und turnte mit mir vom Dach als würde er gerade einen Spaziergang machen. Ich war froh, als ich wieder unten war und in meinem Stuhl saß.

Es war ein lustiger Nachmittag. Alle sind satt geworden, niemand ist in irgendeine Schachtgrube gefallen oder von halb fertigen Treppen gestürzt und die Nachbarn finden uns nett. Die bisher beteiligten Bauleute haben alle von uns noch einen Umschlag bekommen, somit sind eigentlich alle gut bezahlt worden und ich hoffe, alle haben ihre Arbeit gut gemacht. Bisher sieht es wirklich so aus. Bleibt zu hoffen, dass es so erfreulich weitergeht.

Häuslebauer

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Ich hatte es bereits vor einigen Monaten angedeutet, inzwischen sind wir eindeutig über die Planungsphase hinaus gekommen. Die toten Bäume sind weg, das Erdgeschoss steht, das erste Stockwerk ist auch bereits erkennbar. Zum Februar 2015 soll das Wohnhaus bezugsfertig sein. Vier barrierefreie Wohnungen für eine oder zwei Personen (jeweils 60 m²) sind öffentlich gefördert und beginnen mit einer Kaltmiete von 342 €, zwei weitere ebenfalls barrierefreie Wohnungen im Erdgeschoss sind etwas größer und nicht öffentlich gefördert. Ich erzähle zur Zeit bewusst nur wenig, da ich nach wie vor Stress mit meiner Mutter befürchte. Dass sie heraus bekommt, wo das Objekt steht, ist mir nicht sehr recht. Möglichkeiten gäbe es genug, aber ich will es ihr nicht unnötig leicht machen.

Für mich ist dieses „Projekt“ einerseits die Möglichkeit, eine eigene Wohnung zu bekommen. Andererseits muss ich mir dringend etwas überlegen, wenn ich nicht jedes Jahr zunehmend mehr Steuern zahlen als Zinsen einnehmen möchte. Zum Glück unterliegen Unfall-Entschädigungen und Unfall-Renten nur beschränkt der Steuerpflicht. Dennoch muss ich mich entscheiden, ob ich jährlich eine größere Summe an den Staat zahlen möchte – oder ob ich mich anderweitig für das Gemeinwohl engagiere und vom Finanzamt verschont bleibe. Und da ich mich entscheiden kann, entscheide ich mich lieber, selbst Dinge in die Hand zu nehmen. Nein, fetten Gewinn macht man im sozialen Wohnungsbau nicht. Ein paar Euro bleiben hoffentlich am Ende hängen, aber dafür ist der Aufwand auch nicht gerade gering.

Auf jeden Fall freue ich mich schon sehr. Eigentlich. Denn ob ich schon in 2015 nach Hamburg zurück kommen kann, muss sich zeigen. Seufz.

Und wo ich gerade von barrierefreien Wohnungen schreibe, muss ich an ein Gespräch zurückdenken, das ich vor einigen Wochen hatte. Mit einem Freund, der in einer solchen barrierefreien Sozialwohnung wohnt. Und dort abgezockt wird. Mit einem ganz billigen Trick. Nach dem Gesetz ist es verboten (und mit einem Bußgeld belegt), für öffentlich geförderte Sozialwohnungen mehr Miete zu verlangen als von der Behörde genehmigt. Soll heißen: Genehmigt die Behörde pro Quadratmeter eine Kaltmiete von 5,50 € und nimmt der Vermieter 5,60 €, kostet das richtig viel Geld. Nicht nur der Gewinn wird abgeschöpft, sondern man wird noch richtig drauflegen müssen. Das erklärte mir kürzlich auch der Mitarbeiter der Stelle, die uns den Investitionskredit für unser Bauprojekt gibt.

Was aber möglich ist: Man baut 30 Wohnungen zu 54 m² und hätte gegenüber den dort einziehenden Mietern mit Einkommen im Bereich des Sozialhilfe-Niveaus einen Anspruch auf 297 € Kaltmiete, sofern man dem Beispiel von 5,50 € genehmigter Kaltmiete pro Quadratmeter folgt. Unter besonderen Umständen darf die im Mietvertrag vereinbarte Wohnungsgröße aber bis zu 10% größer sein als die tatsächliche, hat der Bundesgerichtshof entschieden. Das heißt: Ich schreibe einfach 60 m² in den Mietvertrag rein und fordere 330 € Kaltmiete pro Monat. Sind pro Wohnung 33 Euro mehr, bei 30 Wohnungen in einer Wohnanlage ist es ein Tausender pro Monat mehr. Nicht legal, aber es gibt angeblich keine gesetzliche Handhabe. Dieser besagte gute Freund von mir, der in einer solchen Wohnung wohnt, hat ausgerechnet, bis zum Ende des Förderzeitraums rund 2.500 € zu viel Miete zu zahlen – viel Geld für jemanden, der von einer Rente lebt, die 10 € über dem Grundsicherungs-Niveau liegt.

Es ist nicht etwa so, dass die Wohnung durch bauliche Abweichungen etwas kleiner ist als in den Zeichnungen steht. Sondern im Förderbescheid steht (und hier wurden die Angaben des Eigentümers übernommen) die Zahl 54 drin, mit dem Hinweis, dass diese Zahl in den Mietvertrag zu übernehmen ist, und im Mietvertrag steht 60. Die für die Förderung zuständige Behörde schreibt auf eine Anzeige dieses Freundes sinngemäß, es sei nicht ihr Bier, was er mit dem Vermieter vereinbart hätte. Sie kümmere sich nur um die Rechtsbeziehung vom der Behörde zum Eigentümer und nicht um die vom Mieter zum Eigentümer.

Was ihm bliebe wäre der Auszug. Aber wohin dann? Er hat kein Geld, selbst zu bauen. Und eine neue barrierefreie Sozialwohnung bekäme er nicht, hierfür bräuchte er eine Berechtigung, die nicht mehr erteilt wird, wenn man bereits einmal eine barrierefreie Sozialwohnung hatte (und dort ausgezogen oder rausgeflogen ist). Nahezu ausschließlich medizinische Gründe berechtigen mittellose Rollstuhlfahrer in Hamburg zum Umzug. Sofern sie bereits eine öffentlich geförderte Sozialwohnung bewohnen. Nochmal seufz.